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Dönerröschen

Titel: Dönerröschen
Autoren: Jaromir Konecny
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die Stirn. »Ihr Hund putzt sich die Zähne?«
    »Ja!«, sagte Anne. »Dreimal am Tag!«
    »Öfter als ich!«, sagte ich.
    Lena riss die Augen auf. »Aber wie hält der Hund denn die Zahnbürste?«
    Anne lächelte. »Ich helfe ihm.« Napoleon verschwand aus ihrer Sicht. »Ja, brav«, sagte sie. »Leg dich unter den Tisch!« Doch Napoleon plante schon den Angriff. Vor Annes Blick versteckt hatte er sich den Plastikhocker zum Stuhl geschoben, den Anne benutzt, um das obere Schrankfach zu erreichen, und versuchte auf den Stuhl zu klettern. Von dort war es nur noch ein kleines Stück auf den Tisch. Wenn es um Kuchen ging, scheute Napoleon keine Schlacht. Um einen Kuchen zu erobern, würde Napoleon die Welt in Schutt und Asche legen. Bei seinem Aufstieg wimmerte er leise, damit Anne ihn an der anderen Tischseite nicht hörte, wahrscheinlich sagte er gerade so was wie: »Scheiß auf die Zähne, Mann!« Mich beachtete der Hund nicht. Wir hatten eine Abmachung, uns gegenseitig nicht zu verpfeifen.
    »Den hat Lena selbst gebacken!«, sagte Anne und zeigte auf den Apfelstrudel.
    Lena wurde rot wie ein Bayern-Trikot. »Den hat meine Mama gebacken!«, sagte sie.
    »Aber sicher hast du ihr geholfen, oder?«
    »Nee!«, sagte Lena. Mann, oh, Mann. Manchmal ist meine Mutter voll peinlich. Die Erwachsenen haben keine Ahnung, wie man mit Leuten umgeht. Haben die das nicht in der Schule gelernt? He, he … Napoleon hockte schon auf dem Stuhl, schlau wie er war, bückte er sich aber unter die Tischkante, damit Anne ihn nicht bemerkte. Wie ein Tiger machte er sich bereit zum Sprung. Dabei warf er mir bettelnde Blicke zu: »Mann! Schnauze halten! Wir sind doch Freunde, oder?«
    »Wie …« Mehr schaffte Anne nicht mehr zu fragen, weil Napoleon gerade in diesem Moment auf den Tisch und zum Kuchen schoss, sodass er auf dem Wachstuch ins Schleudern kam und einen doppelten Rittberger wie ein Eiskunstläufer hinlegen musste, um nicht vom Tisch zu fliegen. Gleich stand Napoleon aber wieder fest auf seinen Pfoten. Am nächsten lag mein Stück Apfelstrudel, klar konnte Napoleon seinem Verbündeten keinen Kuchen rauben, also stürzte er sich auf den zweitnächsten: den von Lena.
    »Napoleon!«, kreischte Anne, sprang auf und wollte eingreifen.
    »Lassen Sie ihn!«, rief Lena. »Der ist ja so süß!«
    »Der Hund oder der Kuchen?«, fragte ich. Schnauze hatte einen guten Einfluss auf mich. So was hätte ich früher nie gesagt. Anne seufzte, setzte sich wieder hin, zog den Teller mit dem restlichen Apfelstrudel zu sich und umarmte ihn wie ein Baby. Napoleon mampfte mit vollem Maul Lenas Stück. Ruckzuck hat er den Strudel verputzt, machte ein glückliches »Wau-Wau« und hüpfte vom Tisch runter. Anne brachte einen frischen Teller für Lena. Um sich für das gute Essen zu bedanken, ließ Napoleon einen fahren, sodass Anne die Puste wegblieb, und trottete aus der Küche. Anne schüttelte den Kopf. »Von wem hat der Hund nur seine Manieren?« Sie wusste aber zu gut, von wem.
    »Wie läuft’s mit dem Kicken?«, fragte ich Lena. Sie spielt Frauenfußball bei Haching. Doch der Fußball geht mit der Geige irgendwie nicht zusammen. Auch Lena ist als Geigerin voll der Versager. Trotzdem schwingt sie weiter den Bogen. Schon seit Jahren gibt Anne ihr Unterricht. Jetzt muss Lena aber zu uns nach Neuperlach kommen.
    »Gut«, sagte Lena. »Bei euch im Verein auch alles klar?«
    »Eeeh …«
    »Jonas hat sich bei seinem Verein abgemeldet«, sagte Anne. Manchmal denkt sie, ich hätte noch nicht sprechen gelernt.
    »Warum denn?«, fragte Lena.
    »Eeeh …«
    »Jonas hat mit seinem Trainer gestritten.«
    »Echt? Du hast mit deinem Trainer gestritten?« Lena guckte mich voller Bewunderung an. In Haching herrscht ja Drill pur. Der beste Verein hier in der Gegend. Da müssen sich auch die Frauen sputen: Spielen und Maul halten!
    »Quatsch!«, sagte ich. »Wir sind umgezogen. Ich will nicht so weit zum Training fahren. Vielleicht fange ich nach den Ferien bei Neuperlach an.«
    »Die treten wie die Schweine«, sagte Lena und jagte damit etwas Röte in Annes Gesicht. Meine Mutter ist ein feiner Mensch und somit hier in Neuperlach etwas fehl am Platz.
    Sie seufzte. »Wir hätten nicht nach Neuperlach ziehen sollen. Viele von den Ausländern hier sind kriminell … das ist kein gutes Viertel. Sicher werden hier Drogen verkauft. Und die … die Türken haben eine ganz andere Kultur als wir. Schon der kleine Emre von unten redet wie ein Verbrecher.«
    »Er ist ein cooler
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