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Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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mehr war – muss sich in vielen von ihnen unwahrscheinlich große Wut aufgestaut haben. Versetz dich mal in ihre Lage: Die waren plötzlich der letzte Dreck. Hochdekorierte Soldaten der ruhmreichen Sowjetarmee waren von einen Tag auf den anderen nur noch menschlicher Ballast, ohne Aufgabe, ohne Ansehen. Verhasst im eigenen Land, weil sie dort ihren Leuten auf der Tasche liegen, aber niemandem mehr nutzen.« Aus Sina sprudelte es heraus wie aus einem Wasserfall. »Diese Leute hatten nach der Wende keinerlei Perspektiven mehr. Sie fühlten sich als Verlierer. Und da könnte es doch sein, dass sich der eine oder andere von ihnen an seine Kaserne auf Usedom erinnert hat. Er hat sich womöglich auch an die alten Bunkeranlagen erinnert, die ihn früher eigentlich nie besonders interessiert hatten. Aber plötzlich erschienen sie ihm in einem ganz anderen Licht. Denn plötzlich sah er in ihnen eine Chance, sich für die Schmach zu rächen. Und zwar an dem, der seiner Meinung nach an allem Schuld war und an den sein geliebtes Vaterland heimtückisch verraten worden ist. Er wollte Rache am alten Klassenfeind. Dem Kapitalismus. Der westlichen Welt.«
    Klaus saß immer noch zurückgelehnt da – und schmunzelte! »Ist die Märchentante fertig?«
    Sina, bis eben völlig von ihrer eigenen Theorie ergriffen, wurde laut: »Verdammt! Klaus, wenn du dich bloß über mich lustig machen willst, dann frag mich nicht erst nach meiner Meinung. Du wolltest wissen, was ich über die Fremden denke, und ich habe es dir erzählt. Also zieh das gefälligst nicht alles durch den Kakao!«
    »Aber Sina. Sei doch nicht so naiv. Was du da erzählt hast, ist kindisch. Und noch dazu höchst widersprüchlich. Warst du es nicht, die festgestellt haben will, dass der Anführer der Bande eine Frau war?«
    »Na und? Gerade bei den Sowjets haben viele Frauen Dienst getan«, entgegnete sie bockig.
    Klaus schüttelte den Kopf. »Und dieser Opa Bernhard? Wie passt der in diese ganze Geschichte hinein? Soll er etwa auch ein Opfer durchgedrehter Ex-Sowjetkämpfer gewesen sein? Vielleicht, weil er im Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite gestanden hat – sein Tod als späte Rache des Feindes von einst?« In seiner Stimme lag eine gehörigen Prise Sarkasmus.
    Damit hatte er Sina an einem wunden Punkt erwischt. Denn so lange sie auch über die Rolle des alten Mannes nachgedacht hatte, so lange sie sich über die recht merkwürdigen Begleitumstände seines plötzlichen Unfalltodes den Kopf zerbrochen hatte, war sie doch nie zu einer zufriedenstellenden Lösung gekommen. Wahrscheinlich, so musste sie sich schließlich eingestehen, hatte das traurige Schicksal des raubeinigen Greises trotz aller Zweifel rein gar nichts mit der ganzen Sache zu tun. Denn dass die Fremden ihre Absichten und ihr Versteck im Bunker leichtfertig aufs Spiel setzten, indem sie am helllichten Tag einen Menschen überfuhren, konnte sich Sina nicht vorstellen.
    Trotzdem – um ihre Theorie von Klaus nicht vollends über den Haufen werfen zu lassen – blieb sie dabei, dass es vorsätzlicher Mord war: »Er ist absichtlich überrollt worden. Weil er das Gelände rings um den Bunker zu genau kannte und für die Verbrecher eine Gefahr darstellte«, behauptete sie starrköpfig.
    »Sei nicht albern, Sina. Deine Erklärungen hinken gewaltig«, gab Klaus ein wenig zu barsch zurück.
    »Deine Mafia-Fantastereien sind jedenfalls nicht weniger abstrus«, konterte Sina beleidigt.
    Klaus steckte sein spöttisches Schmunzeln augenblicklich weg, als er merkte, dass der Abend auf der Kippe stand. »Nimmst du eine ernst gemeinte Entschuldigung an?«, beeilte er sich zu fragen.
    Sina nickte. »Einverstanden. Aber lass uns das Thema wechseln. Bitte.«
    »Können wir gerne tun. Obwohl ich deine innere Anspannung in dieser Sache – wie gesagt – nicht ganz nachvollziehen kann.« Klaus schnappte sich erneut Sinas Hand, hielt sie diesmal aber fest. »Entspann dich endlich, Sina! Nimm’s leicht. Die Angelegenheit ist ausgestanden. Vorbei. Finito!«
    Ihr Gesichtsausdruck wirkte alles andere als überzeugt. Sie blieb von quälenden Zweifeln und drängenden offenen Fragen geplagt. Dennoch musste sie den Tatsachen ins Auge sehen. Und die sprachen für sich. Wie es Klaus ganz richtig ausdrückte: Die Sache war ausgestanden. Ein für allemal!

     
    Ausgestanden eigentlich seit über einem Monat: Als Sina erfuhr, dass der Bunkereingang nach den Löscharbeiten versiegelt worden war, fiel ihr ein gewaltiger Stein vom
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