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Diplomat Im Abseits

Titel: Diplomat Im Abseits
Autoren: Georg R. Kristan
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keine Karambolage. Das erfreut ein Seemannsherz.« Der Hauptkommissar durfte von der christlichen Seefahrt sprechen, denn er hatte Erfahrungen auf großer Fahrt gesammelt. Hier brauchte er allerdings, wie alle seine Mitarbeiter auch, das Rheinschifferpatent mit dem Aufdruck »Polizeibootpatent«.
    »Und die Wahrschauflöße?« fragte er drängend.
    »Sind verankert.« Köhler wies mit einer Handbewegung zum Fenster, vom dem aus sich eine weite Strecke des Rheins von der Oper bis zum Auswärtigen Amt überblicken ließ. »Alle Scheiben zeigen rot. Die Baggerfritzen können loslegen.«
    Die kreisrunden Scheiben an beiden Seiten der wohl vier Meter langen Gebilde mit Tonnencharakter, halb Schiff, halb Floß, zeigten an, daß Berg- und Talfahrt gesperrt war.
    »Setz mal rüber zum Tanker«, erteilte Wernicke seine Weisung. »Das Erzbergerufer muß gesichert werden. Sagt der Polizei über Funk, sie soll den Kraftfahrzeugverkehr laufen lassen, aber die Fußgänger und Neugierigen vom Ufer fernhalten. – Es könnte ja doch mal was passieren.«
    Am Nachmittag war es gelungen, die aufgelaufenen Schiffe zu leichtern und wieder flott zu machen. Kurz darauf begann das Monster, der Flußbagger mit den Rieseneimern auf dem umlaufenden Endlosband, seine Arbeit. Über das quer laufende Förderband prasselten nach jedem Kippen der Behälter Tonnen von Kies und Sand in die längsseits liegenden Transportschuten.
    In kurzer Zeit wurde eine provisorische Fahrrinne ausgehoben. Mehrere Peilungen waren erforderlich, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dann konnte der Schiffsverkehr auf einer Einbahnstraße im Wechsel zwischen Berg- und Talfahrt langsam wieder anlaufen.
    Wiking 5 machte Anstalten, auf der linken Rheinseite unter der Kennedybrücke hindurch am Alten Zoll entlang stromaufwärts zu fahren. Oberkommissar WSP Köhler hatte das Steuer seinem Kollegen Schatt überlassen und standen der Reling. Sein Blick wanderte zum Bagger hinüber. Plötzlich erstarb das knirschende Geräusch. Die Eimerkette stand still. Mit dem Fernglas ließ sich die Ursache des Stopps nicht erkennen. Köhlers erster Gedanke war: Die haben wieder eine Bombe aus dem Dreck geholt. – Das wäre nicht der erste Fund aus der Hinterlassenschaft des Krieges. Über der Rheinbrücke hatten die alliierten Bomber kurz vor dem Zusammenbruch des tausendjährigen Reiches tonnenweise ihre tödliche Fracht abgeladen, um den noch westwärts stehenden Resten der deutschen Wehrmacht den Rückweg abzuschneiden. Mancher Blindgänger war im Grund des Flusses steckengeblieben. Das machte die Baggerarbeiten auch Jahrzehnte nach dem Desaster so gefährlich. Ständig war ein Mann damit befaßt, die heraufkommenden Eimer zu beobachten. Die Explosion eines solchen Geschenks aus der Hölle hätte vom Monster und seiner Besatzung nichts übriggelassen.
    Der Mann am Ruder von Wiking 5 rief plötzlich laut: »Köhler, hör zu! Gerade kommt über Funk eine Meldung rein. Wir müssen sofort rüber zum Monster. Die haben einen makabren Fund im Eimer – eine Frauenleiche.«
    Schon gab Hauptmeister Schatt Gas und steuerte das Boot mit leichtem Vorhaltewinkel gegen die Strömung zum Bagger.
    Die Meldung ging auch an Hauptkommissar Wernicke, der die gerade angelaufene Talfahrt wieder stoppen ließ. Wenn auf der Beueler Platte eine Leiche aus dem Rhein gefischt wurde, konnte es für die Ermittlungen erforderlich werden, die Standorte der stromaufwärts liegenden Schiffe zu fixieren. Nach jahrzehntelangen Erfahrungen sprach alles dafür, daß die Wasserleiche mit der Strömung herangetrieben war. Am Fundort wäre es wohl kaum möglich gewesen, jemanden unbemerkt in den Fluß zu werfen, zumal auch die Tag und Nacht besetzte Dienststelle der Wasserschutzpolizei in unmittelbarer Nähe lag.
    Jetzt ging nichts mehr durch das Nadelöhr.

 
    6
     
     
     
    Über dem Monster wehte die Firmenflagge knatternd im Wind. Auf der Arbeitsplattform standen der Baggerführer und seine Mitarbeiter und diskutierten aufgeregt miteinander. Vom Abraumtransportschiff kletterten drei Mann der Besatzung herüber, um den unheimlichen Fund zu besichtigen.
    »Sieht aus wie ein weiblicher Missionar im Kochtopf«, sagte einer von ihnen mit rauher Stimme, um den schrecklichen Eindruck zu kompensieren.
    »Halt’s Maul, oder du fliegst über Bord«, fuhr ihn der Baggerführer an.
    »Die sieht ja fürchterlich aus.« Der Maschinenwart wandte sich ab. »Mein Gott, ist die zugerichtet – wie durch den Wolf gedreht.«
    Trotz aller
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