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Diplomat Im Abseits

Titel: Diplomat Im Abseits
Autoren: Georg R. Kristan
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eingespielte, wenn auch untereinander verfeindete Ludenorganisationen für Ordnung und für das Geschäft mit den reiferen Damen des ältesten Gewerbes der Welt. Demgegenüber war der Kiez um St. Georg zwischen Hauptbahnhof, Außenalster und Steindamm eher ein nächtliches Sex-and-drug-Center für Goldgräber und Flippies. Prostitution war in diesem Stadtteil zwar offiziell verboten – aber wen interessierte das schon? Hier blühte der Teenie-Strich. Wegen der strafrechtlichen Folgen beim Einsatz von Minderjährigen waren echte Zuhälter selten in St. Georg; aber Beschützer gab es reichlich.
    Die Schickeria genoß in teuren Luxusappartements das Durcheinander von ordentlichen Kleingewerbetreibenden, fliegenden Händlern, Animierbars, Stundenhotels, Bürgerwohnungen und Edelpuffs, deren Eingänge sich allerdings nicht für Krethi und Plethi öffneten. Die allgemeingültigen Eintrittskarten waren Geld und gute Beziehungen.
    Vom Hauptbahnhof schleppten Strichjungs ihre Gay-friends hierher in die Absteigen, oder sie ließen sich in teure Hotels mitnehmen, was sich durch größere Scheine auszeichnete. Um den Hansaplatz herum blühte die Teenie-Prostitution mit gewieften Semi-Profis und kleinen Ausreißerinnen, die dem Friedhofsgemüse daheim mal zeigen wollten, was Freiheit bedeutete. Mit 18 war man da schon alt. Weil sie es nüchtern nicht ausgehalten hätten, für die schnelle Mark mit ihrem jugendlichen Körper zu bezahlen, pumpten sie sich voll mit Drogen. Erst wurde »ein Blech gezogen«, das Heroin also auf einer erhitzten Folie verdampft und eingeatmet, danach kam bald das Drücken. Kurden und Schwarzafrikaner, wahre Meister im Ameisenschmuggel, sorgten dafür, daß der Stoff nicht ausging.
    In den besseren Häusern wurde Kokain wie Puderzucker gehandelt. Die Schlauen wußten: Koks macht nicht so zu wie Aitsch, läßt aber die Puppen tanzen. Für nicht wenige Mädchen endete das Abenteuer der Großstadt mit dem Goldenen Schuß.
    »Kaputt mit 17 und mit 20 tot; Aitsch hält unsere Welt in Lot«, sang man in den Diskos. Charme und Tristesse lagen hautnah beieinander.
    Moskito hatte seine Runde gedreht und abkassiert. Der kleine Fisch aus dem »Aquarium« hatte brav gearbeitet und manchem Seemann die Heuer aus der Tasche gezogen. Bald würden die Schulden ganz getilgt sein. Damit der kleine Racker nicht so schnell aus seiner Obhut entkommen konnte, hatte Moskito das Salär gekürzt und die Transferbeträge für die Eltern und Geschwister daheim erhöht. Das würde auch dazu beitragen, den Ruf seiner Agentur Felicidad zu festigen.
    Auch Subin sollte die Chance erhalten, etwas von dem Erdienten nach Hause zu schicken, vorausgesetzt, daß Bongo vom Babylon mit ihr zufrieden war.
    Moskito ging am Café Sperrgebiet vorbei, wo das Diakonische Werk mit wenig Erfolg versuchte, den käuflichen Mädchen die Vision einer Alternative zu vermitteln.
    Das Babylon hatte die Ausstrahlung einer abgewetzten Kleinkaserne. »In grauer Städte Mauern« lag das Glück gleich hinter den billigen Vorhängen der schallisolierten Fenster. Die Tür wirkte so unauffällig wie das ganze Haus, war allerdings massiv, ohne Glas, nur mit einer Klappe in Augenhöhe, nicht größer als eine Postkarte. Sinnigerweise galt hier als Klingelcode der alte Notruf SOS – drei kurz, drei lang, drei kurz.
    Auf Moskitos Zeichen öffnete Bongo selbst. Die kräftige Gestalt mit dem Bürstenhaarschnitt machte deutlich, daß in diesem Hause strenge Zucht herrschte. Sein Gruß war ein kurzes »Hei!« Schnell hatte er die Tür wieder geschlossen.
    »Na?« fragte Moskito seinen Kompagnon ebenso kurz. »Läuft das Geschäft?«
    Bongo nickte zufrieden. »Läuft. – Wir entwickeln uns langsam zur Samenbank. Ich lasse jetzt im Schnitt um fünfzig mehr fordern.«
    »Gut. Und was macht meine kleine Subin?«
    Bongo lächelte und schüttelte dann den Kopf. »Diese Asiaten mag verstehen, wer will: mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. – Aber sie macht inzwischen einen prima Umsatz. Ich habe ihr schon das Lotos-Zimmer gegeben. Vor allem die kleinen, knubbeligen Herren sind begeistert.«
    »Hast du sie gepuscht?«
    »Ja, und das nicht zu knapp – ohne Koks ist der Ofen aus, nur Asche und heulendes Elend. Aber mit einer Prise Schnee – ich kann dir sagen…!«
    »Ich bin dafür, daß wir ein paar Prozent an die Familie transferieren. Die dürfen drüben nicht den Eindruck gewinnen, daß ihr Kleinod in Hamburg unter die Räder gekommen ist. – Meinst du, sie
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