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Dinner for One auf der Titanic

Dinner for One auf der Titanic

Titel: Dinner for One auf der Titanic
Autoren: Michael Koglin
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Showprogramm gebucht.«
    James wrang die Ärmel seines nassen Fracks aus. Ja, er hatte das unterschätzt. Bei dieser Reise galt es tatsächlich, ein Heer von Schwierigkeiten und widrigen Gefühlen zu durchmessen. Und dann diese seltsame Miss Sophie, mit deren Schicksal nun auch das seine verbunden war. Die Titanic hatte sie gewissermaßen auf Gedeih und Verderb zusammengeführt. Zumindest für die sieben Tage der Überfahrt.
    Auch hier half nur harte und hingebungsvolle Arbeit. An anderen Ende dieses Meeres wartete seine Belohnung: Amerika. Der Klondike. Das Gold. Die Freiheit.
    Rhythmisch erschütterte das Stampfen der riesigen Schiffsmaschinen den Boden. Sie brachten den kleinen Tisch zum Vibrieren. Leise sirrte die Zahnbürste, die in einem Glas vor dem Spiegel stand.
    Aus nacktem grünem Geiz hatte diese Miss Sophie ihn in einer der billigsten Kabinen, direkt über der Schiffsmaschine, untergebracht. Typisch. Selbst die große Dame geben, und die Bediensteten vegetierten im Dunkeln vor sich hin.
    Deutlich hörte er neben dem Stampfen auch das Schraubengeräusch der Titanic heraus. Da hatten es ja selbst diese drei Toten in ihren Särgen bequemer!
    Für James war es immer noch ein Rätsel, was es mit diesen Leichen auf sich hatte. Wie auch immer, er konnte hier im Bauch des Schiffes und bei all dem Lärm versauern. Und die feine Miss Sophie saß oben. Mit nettem Blick aufs Meer, Sonnenuntergang und aus dem Wasser schnellenden Delfinen.
    Warum hatte sie nicht eine Suite mit einem Dienstbotenzimmer gebucht? Warum musste er hier untätig zusehen, wie sein ruinierter Frack allmählich diesen Verschlag unter Wasser setzte?
    James blickt sich um. Wenn er die Arme ausbreitete, konnte er die Kabinenwände berühren. Das Eisengestell des Bettes war neu, wie alles auf diesem Dampfer. Selbst die Matratze wies eine überraschende Festigkeit auf.
    Genau genommen hätte es ihn weitaus schlimmer treffen können. Normalerweise waren die Kabinen in dieser Klasse mit mindestens vier Personen belegt. Das fehlte noch. Ein paar nach Knoblauch stinkende Albaner, Kroaten oder Italiener! Womöglich gar betrunkene Iren, die auf der Titanic ihrer Ankunft in Amerika entgegendämmerten und zwischendurch wehmütige Lieder über den Shannon schmetterten.
    James wippte auf dem Bett, um noch einmal die Festigkeit der Matratze zu prüfen. Behutsam nahm er seine Pfanne vom Tisch. Ja, dieses Unterpfand seiner goldenen Zukunft hatte er auch bei seinem Sprung ins Hafenwasser nicht losgelassen. In letzter Sekunde hatte er sie in seinen Hosenbund stopfen können. Der war nun an einigen Stellen aufgerissen, aber auch das würde sich finden.
    James McMullen, du musst deinem Stern folgen, sagte er mit kräftiger Stimme. Auch wenn es wie in diesem Fall der weiße Stern der White Star Line war, der die Titanic gehörte.
     
 * * *
     
    Er würde diesen Luxus-Eimer schon heil nach New York schaukeln. Da sollten sich diese Herren Reeder und Aktionäre mal nicht ins Hemd machen. Und eine saftige Prämie sprang dabei sicher auch heraus.
    Der Kurs war gesetzt, unddie Heizer hatten kräftige Arme. Keiner sollte sagen, dass er sein Geld nicht wert war.
    Kapitän Smith legte seinen Sextanten zurück in die mit Samt ausgeschlagene Holzkiste. Über den Beinahezusammenstoß im Hafenbecken würde in spätestens zwei Wochen der Mantel des Vergessens gebreitet.
    Warum musste sich dieser Schlepperkapitän auch in seine Bugwelle legen? Es klopfte an der Tür.
    »Bruce Ismay hier.«
    »Sofort, Sir.«
    Jetzt ließ ihn der Generaldirektor der White Star Line noch nicht einmal in seiner Kabine in Ruhe. Wozu all diese Nervosität und Hektik? Es lief doch alles wie am Schnürchen. Na gut, sie hatten einen Brand in einem der Kohlenbunker, aber so etwas kam vor. Kein Grund zur Sorge.
    Ismay mochte so um die fünfzig sein. Sein Haar war voll und das Kinn energisch. Er zwirbelte die Spitzen seines Bartes, den er nach dem Vorbild des deutschen Kaisers trug.
    »Alles in Ordnung, Smith?«
    »Selbstverständlich, Sir. Die See ist glatt wie eine Tasse Tee, drei Kessel sind unter Feuer, und wir machen 21 Kn-ten.«
    »Das lässt sich steigern.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »26 Knoten sind doch sicherlich möglich«, sagte Ismay.
    Kapitän Smith schüttelte abwehrend den Kopf.
    »Wir wollen diese junge Lady erst langsam an all das Wasser gewöhnen, nicht wahr? Soll ja keinen Schreck bekommen, der Kahn.«
    »Das blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung steht auf dem Spiel, Smith,
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