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Dinner for One auf der Titanic

Dinner for One auf der Titanic

Titel: Dinner for One auf der Titanic
Autoren: Michael Koglin
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Handtasche erneut ausholte, hob er abwehrend die Arme.
    »Platz da, der Kapitän ist auf dem Weg zur Brücke«, rief Miss Sophie.
    Der Kapitän legte die Finger auf die Lippen.
    »Nicht, Sophie.«»James, Sie werden unseren Kapitän auf die Brücke geleiten und ihm laut rufend einen Weg bahnen. Woll’n doch mal sehen, ob du nicht deiner Pflicht nachkommen wirst.«
     
    * * *
     
    Patsymoon Sterlingtree presste das Stoffbündel unter den Arm. So viele merkwürdige Dinge waren auf diesem Schiff passiert. Wer konnte schon mit Sicherheit sagen, dass die Titanic auch wirklich in den Fluten versank?
    Wenn Sie nun als Geisterschiff über den Atlantik schaukelte und eines Tages jemand das Bild fand? Nie und nimmer durfte diese Fälschung an Bord bleiben. Wie gut, dass sie diese falsche Mona Lisa gleich an sich genommen hatte. Schließlich hatte Mr. Finch-Meyers recht. Das Wohl und der Ruf der Titanic standen an oberster Stelle. Und ihre Aufgabe war es, beides zu schützen.
    Nachdem nun das Wohl der Titanic nicht mehr zu retten war, galt es den Ruf in Ehren zu halten. Nein, dieses prächtige Schiff durfte nicht als Fälscher-Dschunke in die Geschichte eingehen. Was würde sonst aus der White Star Line werden, was aus ihrem Arbeitsplatz und was aus dem Leumund von Jessup Finch-Meyers?
    Sie würde diese Fälschung anonym in der französischen Botschaft abgeben, und dann konnten die Leute dort darüber befinden, was damit anzufangen war. Mit keinem Sterbenswörtchen würde sie die Titanic erwähnen. Kam gar nicht infrage. Ein Ehrenmann handelt. Und schweigt.
    Vor ihr im Boot saß Jessup Finch-Meyers. Ausdruckslos blickte er zur untergehenden Titanic hinüber, von der immer noch die Musik des Orchesters zu ihnen herüberwehte. Alle Lichter brannten. Die Rufe und Schreie der Menschen wurden lauter. Und auch das Ächzen des Schiffes.
    Wie gerne hätte sie Finch-Meyers in den Arm genommen. Er war so dicht am Ziel gewesen. Hatte alles beisammen, und die Verdächtigen so gut wie überführt. Sie hatte diesem Butler und auch Miss Sophie ja nie über den Weg getraut.
    Laut zischend drang Wasserdampf aus einem der Schornsteine. Die Titanic schickte einen letzten Gruß zu ihnen herüber. Mit den Menschen und den Frachtstücken, den Möbeln und dem Geschirr, den Hunden, Polopferden, Palmen und all dem glitzernden Schmuck sanken jetzt auch sämtliche Beweise auf den Boden des Atlantiks.
    Neben ihnen in einem der Boote saß dieser verrückte Professor. Im Schein einer Petroleumlampe las er in einem Buch. Einmal blickte er hinüber zu dem sinkenden Luxusdampfer und nickte ernst. Ganz so, als gehörte das, was dort auf dem Meer passierte, zu einem Roman, als stünde die Wahrheit auf den Seiten vor ihm. Er hatte die Welten gewechselt. Vielleicht der einzige Weg, der uns retten kann, dachte sie.
    In einigen Metern Entfernung glaubte sie, die Silhouette eines Tigers zu erkennen, der auf einem Holzstück hockte. Aber das musste wohl eine Halluzination sein. Wie sollte der es aus seinem Käfig geschafft haben. Ganz unmöglich.
     
    * * *
     
    »Und Sie finden dieses Gefährt nicht ein wenig unpassend, James?«
    Miss Sophie prüfte mit dem Zeigefinger die Wassertemperatur.
    »Abscheulich kalt. Haben Sie den Kapitän auf die Brücke geleitet?«
    »Mithilfe einiger Matrosen, Miss Sophie.«
    »Da gehört er hin, unser Kapitän. Und die Tür zur Brücke ...?«
    »Verriegelt, mit einem Sessel aus dem Palmengarten, Miss Sophie.«
    »Wie schön! Nun wird unser wackerer Smith doch noch ein Held. Ein Jammer nur, dass dieses schöne Bild nicht mehr aufgetaucht ist.«
    »Miss Sophie, am besten halten Sie sich an den Beschlägen fest.«
    »Ist das wirklich nötig?«
    Er wusste gar nicht, warum sie sich so anstellte. Zumindest waren diese Särge solide gezimmert. Sicher, es war nicht gerade appetitlich gewesen, die Toten aus ihren Kisten zu werfen. Aber die Särge wurden nun einmal für ihre Rettung gebraucht.
    James war erstaunt, wie gut sie im Wasser lagen. Wie kanadische Kanus. Viel zu schade, solch solide Zimmermannsarbeiten zu vergraben und den Würmern zum Fraß vorzuwerfen.
    James zog seine Pfanne unter der Jacke hervor. Auch sie war ihm geblieben.
    »Omnia mea mecum porto.«
    »Eine Beschwörungsformel, Miss Sophie? Soll ich mitsprechen?«
    »Lateinisch, James. ›Was ich brauche, habe ich bei mir‹.«
    James war ein wenig mulmig zumute. Meinte sie damit seine Pfanne? Oder womöglich ihn? Und wie meinte sie das? War er ihr Leibeigener, oder nahm sie
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