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Dinner for One auf der Titanic

Dinner for One auf der Titanic

Titel: Dinner for One auf der Titanic
Autoren: Michael Koglin
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Fälschung. Wenn sie derartige Preziosen tatsächlich ihr eigen nennen würde, müsste er nicht in der dritten Klasse hausen.
    »James, wenn ich um die Hors d’œuvres bitten dürfte.«
    »Sehr wohl, Miss Sophie.«
    Kapitän Smith flüsterte ihr etwas ins Ohr. Miss Sophie kicherte affektiert und unwürdig.
    »Dürfen wir die Idylle einen Moment stören, Miss Sophie?«
    Jessup Finch-Meyers und Miss Sterlingtree nahmen auf den Stühlen Platz, auf denen Dr. Breastsucker und Oscar Smooth Gentle gesessen hatten.
    »Zunächst einmal meine allerherzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag, Miss Sophie.«
    James erwog, ihnen ein Glas Champagner zum Anstoßen zu reichen, unterließ es dann aber. Miss Sophie blitzte ihn schon den ganzen Abend über böse an. Nie konnte man es ihr recht machen.
    »Wie schön, dass Sie daran gedacht haben, Mr. Finch-Meyers.«
    Auch Patsymoon Sterlingtree gratulierte. Mit einem Knicks.
    »Nur sind wir leider nicht gekommen, um die Geburtstagstorte zu probieren. Ich hätte da noch eine Frage.«
    »Nur zu, Sherlock Holmes.«
    Miss Sophie blickte zu James. Das sollte etwas Bestimmtes bedeuten, nur was? Finch-Meyers hatte nichts bemerkt.
    »Äh, also Miss Sophie, wie Sie selbst sagten, sind Sie Fürst Balgakov auf dem Gang vor meiner Kabine begegnet. Gerade als er ...«
    »Nun, ich habe gesagt, ich bin einem Mann begegnet, der Fürst Balgakov ähnelte.«
    »Fein. Ist Ihnen an diesem Mann etwas aufgefallen?«
    »Es war dunkel, und ich hatte diese übel riechenden Haare im Gesicht.«
    »Sie hatten ...?«
    »Ich hatte.«
    »Miss Sophie, bitte!«
    »Nun, der Mann hatte seine Haare verloren, und bei Licht betrachtet war es nichts anderes als ein mit Schuhcreme eingefärbter Mob.«
    »Und das sagen Sie erst jetzt? Haben Sie diesen Mann erkannt, Miss Sophie?«
    »Nun, er besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit ...«
    »Mit wem, Miss Sophie?«
    »Nun, ich sage es äußerst ungern, aber er ähnelte ...«
    »Ja ...?«
    »Er ähnelte James. Wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    Finch-Meyers stieß hörbar die Luft aus.
    »Miss Sophie, das ist ein schwerwiegender Vorwurf.«
    »Nun, James neigt zum Schabernack.«
    James glaubte, die Schiffsplanken der Titanic weit unter sich zu lassen. Aus großer Höhe konnte er auf sich selbst hinuntersehen. Auf einen leicht gebückten Butler, der neben einem Servierwagen stand, die Hände in den weißen Handschuhen leicht erhoben.
    An den Tischen wurde geplaudert und gelacht, doch um James war eine große Stille. Eine Träne lief über sein Gesicht. Schließlich war es Miss Sophie höchstpersönlich, die seine Idee aufgegriffen und ihn mit dieser Bombenattrappe und der besagten Verkleidung zu Finch-Meyers geschickt hatte. Ja, sie hatte sogar erneut in Aussicht gestellt, die beträchtlichen Schulden, die sich angesammelt hatten, dem, wie hatte sie noch gesagt, ja, »dem Vergessen anheimfallen zu lassen«. Und jetzt?
    »James McMullen, was haben Sie dazu zu sagen?«
    Miss Sophie schlug mit einem Löffel auf den Tisch.
    »Ähnlichkeit, Mr. Finch-Meyers, ich sprach von einer gewissen ›Ähnlichkeit‹, und ich hoffe doch, dass dieses gute englische Wort Ihnen bekannt ist.«
    »›Wie aus dem Gesicht geschnitten‹, sagten sie.«
    Ihr Blick streifte James. Sie hob das Kinn und lächelte ihn triumphierend an.
    James fühlte sich völlig schwerelos. Um ihn herum war die Luft erfüllt von wunderbarer Musik. Miss Sophies’ Lächeln zählte. Sonst nichts. Alles vorbei.
    In Handschellen würde er von Bord gehen. Die letzten Jahre seines Lebens in einer kargen Zelle bei Wasser und Brot fristen. Der Klondike musste auf sein nächstes Leben warten. Ein Leben, das er gewiss nicht als Butler verbringen wollte. Er musste sich unbedingt einen Knoten ins Taschentuch machen, bevor er starb. Auf keinen Fall durfte er das vergessen. Wenn die Schinderei in diesem Leben einen Sinn gehabt haben sollte, dann die Erkenntnis: Nicht vergessen, nicht vergessen, werde niemals wieder Butler, arbeite niemals wieder für eine Miss Sophie. Niemals wieder diese maßlose Gier und dieses dekadente Getue der so genannten besseren Gesellschaft.
    Ein Zittern durchlief das Schiff. Die Gläser auf dem Tisch klirrten, und ein Teller rutschte vom Servierwagen.
    »Was geht hier vor?«, fragte Mr. Finch-Meyers.
    Kapitän Smith hob beschwichtigend die Arme.
    »Das ist nichts, gar nichts.«
    »Ein Erdbeben«, sagte Patsymoon Sterlingtree.
    »Wenn schon, dann ein Seebeben«, ergänzte Miss Sophie.
    Der Kapitän schüttelte
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