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Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel

Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel

Titel: Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Autoren: Christiane Franke
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Montag
    Nebel waberte über dem leicht gefrorenen Grund, es hatte sich Raureif an den kahlen Ästen der Büsche gebildet. Das Leuchtfeuer am Ende der Mole bot ein bizarres, fast schon verzaubert wirkendes Bild. Ein Hauch von Versprechen lag in der Luft, als wollte die Sonne zusichern, sich durchzuarbeiten, den Nebel zu zerreißen und Licht in diesen trüben Novembertag zu bringen.
    Es war kurz nach acht, als Olaf Braun seine Münsterländer-Hündin Sally am Parkplatz oberhalb des Deiches aus dem Kofferraum seines Passats entließ. Übermütig tollte Sally herum, sprang an ihm hoch, lief davon, kehrte auf seinen Pfiff zurück, machte »Sitz« und bekam ein Leckerli, um gleich darauf nach einem »Voran« von Olaf wieder davonzueilen, der den schwarzen Fleeceschal fester um seinen Hals zog und in warme Handschuhe schlüpfte. Der Wind war eisig, er wehte mit aller Macht vom offenen Meer herüber. Doch Olaf wusste den windigen Start in den Tag zu schätzen, der ihm all jene Spinnweben aus dem Kopf pustete, die sich ab fünf Uhr morgens in seinem Schädel einnisteten. Meist waren es grüblerische Gedanken über alles und nichts, freigegeben vom Unterbewusstsein, wenn er langsam aus dem Schlaf erwachte.
    Für Sally war der Deichabschnitt an der Spitze der Schleuseninsel gewohntes Terrain; hier hatten sie beide begonnen, eine richtige Beziehung zueinander aufzubauen. Denn ziemlich schnell, nachdem er die Münsterländer-Hündin angeschafft hatte, war Olaf klar geworden, dass Sally das Ruder in ihrer Zweier- WG übernehmen wollte. Das hatte er zwar anfangs amüsant gefunden, dann jedoch rasch erkannt, dass er sich und seiner Hündin keinen Gefallen damit tat, ihr den Dickkopf durchgehen zu lassen. So hatte er sich zur Hundeschule angemeldet, die sich sonntäglich hier am Deich der Schleuseninsel traf. Inzwischen begannen sie jeden Tag mit diesem kurzen Ausflug, bevor Olaf sein Geschäft für Fotoartikel, Fotoapparate und alles, was mit dem Fotografieren zusammenhing, in der Gökerstraße öffnete.
    Olaf war mit der Zeit gegangen, hatte rechtzeitig die Möglichkeiten erkannt, die ihm die Digitaltechnik bot, und sich zu einem Fachmann entwickelt, der trotz der Dumpingpreise, mit denen die Konkurrenz im Internet warb, seinen Kundenstamm hielt und weiter ausbaute. Kompetenz und Service vor Ort, das waren seine Schlagworte, und der Erfolg gab ihm recht.
    In Gedanken beschäftigte er sich bereits mit dem heute anstehenden Auftrag einer Frau, ein nicht wirklich hochauflösendes Foto auf sechzig mal neunzig Zentimeter Leinwand zu bringen, als Sally plötzlich wie wild zu bellen begann. Auf seinen Pfiff hin kam sie zwar angerannt, bellte jedoch schwanzwedelnd weiter, ignorierte das Leckerli und lief sofort wieder davon. Olaf runzelte die Stirn. Nicht schon wieder. Natürlich hatte er gewusst, dass sich eine Münsterländer-Hündin hervorragend für die Jagd eignete, aber er hatte gehofft, Sallys Jagdtrieb mit Disziplin und ausreichend Auslauf befriedigen zu können. Erst letztens war Sally außer Rand und Band gewesen, als sie ein totes Kaninchen gefunden hatte und es ihm zeigen wollte. Olaf schnaubte kurz und folgte seiner Hündin, die jedoch nicht durch das taufeuchte Gras des Deiches lief, sondern auf den betonierten Weg zur Mole.
    Was wollte sie denn da? Normalerweise tollte Sally auf dem Deich herum und wälzte sich, wenn er nicht aufpasste, in den Hinterlassenschaften anderer Hunde. Auf die Mole lief sie sonst nicht. Olaf eilte hinterher, er konnte sie im Nebel kaum noch ausmachen. Die ganze Situation hatte etwas Gespenstisches. Hatte Sally eine tote Möwe entdeckt? Einen toten Seehund oder gar einen Schweinswal?
    »Sally«, rief er, und sein Atem stieg wie eine Rauchfontäne vor seinem Mund auf. Als Antwort erhielt er lediglich ein aufgeregtes Bellen. Die Leine aus braunem Leder, an die er die kleine schwarze Plastiktüte geknotet hatte, mit der er Sallys Hundehaufen aufnehmen wollte, schlackerte über seiner Schulter, als er den Schritt beschleunigte.
    Inzwischen hatte der Nebel seine Haare durchfeuchtet. Er fluchte, als Sally auch auf seinen erneuten Ruf hin nicht zurückkam. Ob es etwas bringen würde, sie sterilisieren zu lassen? Würde sie dann ruhiger? Er musste sich bei seiner Tierärztin erkundigen, Katrin würde ihm da schon den richtigen Rat geben.
    Endlich sah er sie. Unterhalb des Molenfeuers, das selbst im Nebel noch meterhoch über ihm aufragte, stand Sally, wedelte mit dem Schwanz und bellte. Olaf griff in die
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