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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)
Autoren: Manfred Spitzer
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nicht darüber zu wundern, dass er beim Ausfall von Rolltreppe oder Fahrstuhl erheblich ins Schwitzen kommt und – wohnt er im neunzehnten Stockwerk – bei einem Stromausfall schlimmstenfalls bei seinem Nachbarn im Parterre um Unterschlupf bitten muss.
    Dass nur trainierte Muskeln wachsen, ist bekannt. Ebenso verhält es sich mit dem Gehirn. Nun nimmt zwar nicht das gesamte Gehirn bei intensiver Nutzung an Größe zu, aber es geschieht dennoch etwas ganz Ähnliches: Die grauen Zellen (Neuronen) in unserem Gehirn verarbeiten Informationen in Form von elektrischen Impulsen. Diese werden über Nervenfasern von Nervenzelle zu Nervenzelle übertragen, an deren Enden sich die sogenannten Synapsen befinden (Grafik 2.6).

2.4 Eine Nervenzelle unter dem Elektronenmikroskop (aus Spitzer 2002). Die andockenden Fasern, die in kleinen Auftreibungen enden, liefern elektrische Impulse, die an den Enden auf chemischem Wege übertragen werden.

2.5 Fotografie eines Neurons unterm Lichtmikroskop. Diese Aufnahme ist ein Kunstprodukt und zeigt nicht, wie es »in Wirklichkeit« ist! Warum? Wenn man ein Neuron fotografieren will, ergeht es einem so, als wolle man im dichtesten Urwald einen Baum fotografieren. Man tritt ein paar Schritte zurück, um ihn ins Bild zu bekommen … und vor einem schlagen Blätter und Zweige zusammen. Der Baum ist weg, verdeckt von den wuchernden Nachbarpflanzen. Genauso verhält es sich im Gehirn. Dort gibt es keine einzelnen Neuronen, wie auf diesem Bild. Hier wurde leuchtender Farbstoff in ein Neuron hineingespritzt, und es wurde dann mit einer Lampe angestrahlt. Alles andere, benachbarte Neuronen und vor allem die 10 000 einlaufenden Fasern, sieht man deshalb auf dieser Aufnahme nicht.
    Jeder Gymnasiast lernt heute, wie an einer Synapse ein elektrischer Impuls (Aktionspotenzial) durch chemische Stoffe (Neurotransmitter) fortgeleitet wird, für die es spezielle Rezeptoren gibt, die ihrerseits Kanäle für bestimmte geladene Teilchen (Ionenkanäle) öffnen. Interessant ist, was man in der Schule nicht lernt: Was das Ganze soll! Denn der Impuls könnte ja auch ohne chemische Übertragung direkt von Neuron zu Neuron übertragen werden. Das ginge schneller, würde weniger kostbare Energie verbrauchen und wäre damit viel effizienter. Warum also gibt es Synapsen? – Diese Frage hat es in sich, denn das Gehirn des Menschen – Ihr Gehirn  – enthält etwa 100 Milliarden Nervenzellen, von denen jede bis zu 10 000 Verbindungen mit anderen Nervenzellen hat. Die Anzahl dieser Verbindungen – der Synapsen in Ihrem Gehirn – beträgt damit etwa eine Million Milliarden (10 15 )! Vielleicht merken Sie sich ganz einfach: richtig viel!

Gedächtnisspuren
    Warum also gibt es diese Synapsen? Auf diese Frage hat die Neurowissenschaft heute eine klare Antwort: weil sich die Synapsen dauernd ändern, je nachdem, ob sie gebraucht werden oder nicht (Grafik 2.7). Man kann zwar nicht wie bei einem Muskel, der sich nach intensivem Training verdickt, das Wachstum des Gehirns nach längerem geistigem Training sehen, aber es vollzieht sich eine markante Veränderung. Die Synapsen werden dicker, wenn sie beansprucht werden; und sie verkümmern und sterben schließlich ab, wenn sie nicht genutzt werden.

2.6 Die Übertragung von Nervenimpulsen an einer Synapse geschieht dadurch, dass beim Eintreffen des Impulses (links) kleine Bläschen in der Auftreibung am Ende der Nervenfaser, die einen Überträgerstoff (Neurotransmitter) enthalten, mit der Wand der Faser verschmelzen (Mitte) , wodurch der Neurotransmitter freigesetzt wird und seinerseits an Rezeptoren der Zelle, die den Impuls erhält, andockt. Dadurch wird die nachfolgende Zelle erregt (rechts) .
    Wie sehr Synapsen dauernd angebaut, umgebaut, abgebaut, weggeräumt und wieder ganz neu gebildet werden, zeigen gerade Studien aus der Gehirnforschung der vergangenen Jahre sehr deutlich (Grafik 2.8). Das Gehirn ist also nicht statisch, sondern eine Art Dauerbaustelle: Dauernd wird nach Kräften versucht, die Struktur des Informationsverarbeitungssystems Gehirn den wechselnden Anforderungen anzupassen.

2.7 Synapsen ändern ihre Größe, wenn sie beansprucht werden. [40]   Links ist eine Synapse dargestellt, an der zuvor nur wenig Aktionspotenziale übertragen worden waren. Entsprechend ist sie eher klein. Über die rechte Synapse liefen zuvor recht viele Impulse, daher ist sie sichtlich gewachsen.

2.8 Entstehung neuer Synapsen durch neue Erfahrungen im Zeitraum von
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