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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)
Autoren: Manfred Spitzer
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Bewegung und ballaststoffreiche Nahrung) und des modernen Lebensstils (wenig Bewegung, ballaststoffarme Nahrung) versteht, lassen sich die negativen Auswirkungen der digitalen Medien auf geistig-seelische Prozesse im evolutions- und neurobiologischen Rahmen besser begreifen. Es können hierbei ganz unterschiedliche Mechanismen und Prozesse beschrieben werden, die kognitive Leistungen wie Aufmerksamkeit, Sprach- oder Intelligenzentwicklung betreffen, sich also letztlich auf die Funktion des menschlichen Geistes beziehen. Wie in der Folge anhand von Beispielen gezeigt werden wird, hat dies erhebliche Auswirkungen auf emotionale und soziale psychische Prozesse, bis hin zu ethisch-moralischen Einstellungen sowie unsere Eigenperspektive, also unsere personale Identität.
    »Digitale Demenz – so ein Unfug!«, höre ich meine Kritiker schon laut rufen. Dabei bräuchten sie nur selbst ins weltumspannende digitale Datennetz zu gehen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Googelt man die Stichwörter »digitale Demenz« bzw. »digital dementia«, dann erhält man in etwas weniger als einer Fünftelsekunde etwa 8000 und auf Englisch 38 000 Einträge.

Wer denken lässt, wird kein Experte
    Wer jetzt noch zweifelt, der überlege einmal kurz: Die Telefonnummern der Verwandten, Freunde und Bekannten sind im Handy gespeichert. Den Weg zum verabredeten Treffen mit ihnen zeigt das Navigationssystem. Die beruflichen und privaten Termine hat man ebenfalls im Handy oder im PDA (dem Personal Digital Assistant). Wer etwas wissen will, der googelt; seine Fotos, Briefe, Mails, Bücher und Musik hat man in der Wolke. Selbst denken, speichern, überlegen – Fehlanzeige.
    Jeden Tag bekomme ich von Schülern und Studenten E-Mails etwa der folgenden Art:

    Lieber Herr Professor,
    ich/wir arbeite/n gerade an einem Referat [einer Hausarbeit/einer Bachelor-/Magisterarbeit/einer Dissertation] zum Thema Gehirn und x [setzen Sie für die Variable x jeden beliebigen Sachverhalt ein]. Können Sie mir/uns bitte die folgenden Fragen beantworten: (1) Wie funktioniert das Gehirn? (2) …
    [Und wenn es sich beim Absender um Schüler handelt, findet sich nicht selten der folgende Schlusssatz.] Bitte beachten Sie noch, dass wir morgen abgeben müssen; es wäre also gut, wir hätten Ihre Antworten gleich …

    Wenn ich überhaupt antworte (das hängt von meiner Tagesform, Zeit und der Nettigkeit des Schreibens ab), dann schicke ich Artikel, die von den Betreffenden selbst gelesen werden müssen. Und das sage ich ihnen auch. Denn wer im Netz einfach jemanden fragt, statt sich selbst mit einem Thema zu beschäftigen, der hat gar nicht begriffen, warum er diese Arbeit überhaupt macht: Die Schüler sollen ja lernen, selbst zu denken! So lässt sich vermeiden, was drei Schülern passiert ist: Sie sollten ein Referat über Georgien halten und lieferten eine sehr schöne PowerPoint-Präsentation ab – über Georgia!
    Was mir sehr zu denken gibt, ist die Tatsache, dass sogar manche Lehrer und Professoren nicht begriffen zu haben scheinen, was Lernen eigentlich bedeutet. Denn Studenten schreiben mir nach meiner Verweigerung eines Interviews oder einer Fragenbeantwortung: »Ich bekomme eine schlechtere Note, wenn ich nicht Experten zum Thema befrage.« Den Lehrkräften würde ich dann gerne antworten (und zuweilen sende ich dem Schüler/Studenten einen entsprechenden Text): So wenig, wie man das Bergsteigen dadurch erlernt, wenn jemand einen auf den Gipfel trägt, wird ein junger Mensch zum Experten (für welches Sachgebiet auch immer), wenn er einen Experten fragt. Sich Wissen aus Quellen selbst anzueignen, es kritisch zu hinterfragen, abzuwägen, die Quellen selbst zu hinterfragen, die Details eines Puzzles zu einer sinnvollen Einheit zusammenzufügen – all das muss man selbst tun, um es irgendwann zu können. Dieses Können wird, wie jedes Expertentum, auch in der Kenntnis mancher Sachverhalte bestehen, aber es wird vor allem auf einer sicheren Kenntnis von Quellen und deren Zuverlässigkeit und vielem mehr beruhen. Kurzum: Ein Sachverhalt will durchdrungen sein.
    Es geht hier nicht um »Auswendiglernen«. Niemand wird Bergsteiger, wenn er die Namen von Bergen oder die Wegmarken von Routen auswendig lernt! (Wohlgemerkt: Bergsteiger verfügen über dieses Wissen; aber es ist offensichtlich, dass dies nicht alles ist und dass es darum auch gar nicht geht. Man lernt das nebenbei.) Oft werde ich gefragt, ob es schlecht sei, dass man heute in der Schule
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