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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)
Autoren: Manfred Spitzer
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Sie ist die gemeinschaftliche Suche nach wahren, verlässlichen Erkenntnissen über die Welt einschließlich unserer selbst. Wer in die Apotheke geht und eine Kopfschmerztablette kauft, ein Auto oder Flugzeug besteigt, den Herd oder auch nur das Licht einschaltet (von Fernseher oder Computer gar nicht zu reden!), der hat im Grunde jedes Mal schon unterschrieben, wie sehr er sich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft verlassen kann und auch tatsächlich verlässt. Wer die Verlässlichkeit der Ergebnisse von Wissenschaft in Bausch und Bogen einfach ablehnt, der weiß entweder nicht, was er sagt, oder sagt bewusst die Unwahrheit.

Wo ist das Problem?
    Im Jahre 1913 schrieb Thomas Edison – der Erfinder der Glühbirne, des Plattenspielers und des Kinos – in einer New Yorker Zeitung: »Bücher werden in Schulen bald obsolet sein … Es ist möglich, jeden Zweig des Wissens der Menschheit mit Hilfe von Filmen zu lehren. Unser Schulsystem wird innerhalb von zehn Jahren vollkommen verändert sein.« [5]   Als knapp fünfzig Jahre später das Fernsehen aufkam, gab es ähnlich optimistische Stimmen, die meinten, man könne nun endlich Kultur, Werte und Wissen bis in die letzten Winkel der Welt bringen und so den Bildungsstand der Menschheit insgesamt deutlich verbessern. Noch einmal fünfzig Jahre später bringt der Computer die Leute dazu, wieder von völlig neuen Möglichkeiten zu sprechen, die das Lernen in der Schule revolutionieren werden. Dieses Mal ist allerdings alles anders, werden Scharen von Medienpädagogen nicht müde zu betonen. Dabei sind wir schon Zeuge des Aufstiegs und Falls des E-Learning geworden, so wie wir in den siebziger Jahren das Scheitern von Sprachlaboren und Programmiertem Unterricht erlebt haben. Das Lernen allein am Computer funktioniert nicht – darüber sind sich mittlerweile sogar die größten Fürsprecher der Computernutzung einig. Warum ist das so? Und was bedeutet das für diejenigen, die dauernd mit Computer und Internet umgehen?
    Der Publizist Nicholas Carr beschreibt die von ihm erlebten Folgen seiner Internetnutzung wie folgt: »Das Netz scheint mir meine Fähigkeit zur Konzentration und Kontemplation zu zerstören. Mein Geist erwartet nun, Informationen in genau der Weise aufzunehmen, wie sie durch das Netz geliefert werden: In Form eines rasch bewegten Stroms kleiner Teilchen […] Meine Freunde sagen dasselbe: Je mehr sie das Netz benutzen, desto mehr müssen sie kämpfen, um sich auf das Schreiben längerer Abschnitte zu konzentrieren.« [6]  
    Zur Beantwortung der Frage, was das Internet und die neuen digitalen Medien mit uns machen, gibt es weit mehr als nur Erlebnisberichte und empirische Studien aus der Medienwirkungsforschung. Auch die Grundlagenforschung zur Funktion des Gehirns kann hier einiges beitragen. In ähnlicher Weise, wie die Biochemie unseren Blick für Stoffwechselerkrankungen schärft, ermöglicht uns heute das Verständnis der Mechanismen von Lernen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Entwicklung eine klarere Sicht auf die Gefahren digitaler Medien.
    Zu den wichtigsten Erkenntnissen im Bereich der Neurobiologie gehört, dass sich das Gehirn durch seinen Gebrauch permanent ändert. Wahrnehmen, Denken, Erleben, Fühlen und Handeln – all dies hinterlässt so genannte Gedächtnisspuren. Waren diese bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts noch hypothetische Gebilde, so kann man sie heute sichtbar machen. Die Synapsen – jene plastischen, sich verändernden Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen, über welche die elektrischen Signale laufen, mit denen das Gehirn arbeitet – können heute fotografiert und sogar gefilmt werden. Man kann zusehen, wie sie sich bei Lernprozessen verändern. Auch die Größe und die Aktivität ganzer Bereiche des Gehirns lassen sich mittels bildgebender Verfahren sichtbar machen, und so lassen sich die neuronalen Auswirkungen von Lernprozessen im großen Stil nachweisen.
    Wenn nun aber das Gehirn immer lernt (es kann eines nicht: nicht lernen!), dann hinterlässt auch die mit digitalen Medien verbrachte Zeit ihre Spuren. Hierbei ist auch noch Folgendes zu beachten: Unser Gehirn ist das Produkt der Evolution; es entstand also über einen langen Zeitraum durch Anpassung an bestimmte Umweltbedingungen, zu denen digitale Medien definitiv nicht gehörten. Und ebenso wie man heute sehr viele Zivilisationskrankheiten als Ausdruck eines Missverhältnisses der früheren Lebensweise (Jagen und Sammeln, also viel
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