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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt
Autoren: Diana Menschig
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Prolog
    »Die Hexe ist tot!«, hörte Ronja ihren Freund Luke aufgeregt flüstern.
    »Was?« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und griff mit beiden Händen nach der Fensterbank. Der rauhe Stein scheuerte auf ihren Handflächen, als sie sich weiter nach oben hangelte, damit sie in den Raum hineinspähen konnte. Da lag Oma Mago auf der Couch und rührte sich nicht. War sie wirklich tot? Vielleicht schlief sie nur.
    »Klopf mal ans Fenster.« Ronja stieß Luke mit dem Ellbogen an, und er schlug mit der Faust vor die Scheibe.
    Nichts geschah.
    »Was macht ihr da?« Amelie kam von der Haustür zu ihnen herüber.
    »Wir gucken durchs Fenster. Sieht man doch!«, sagte Luke.
    Amelie rümpfte ihre Sommersprossennase: »Die Haustür ist wirklich verschlossen. Ich hab ganz feste gerüttelt.«
    »Hab ich doch gesa-hagt!« Luke streckte ihr die Zunge raus.
    Ronja konnte sich nicht mehr an der Fensterbank halten und musste loslassen. Sie wandte sich an Amelie. »Oma Mago schläft dort drinnen und wacht nicht auf«, erklärte sie.
    »Die Hexe ist tot!«, verkündete Luke mit Nachdruck.
    Ronja blitzte ihn wütend an: »Ich will aber nicht, dass sie tot ist! Außerdem ist sie keine Hexe!«
    »Aber sie tut manchmal so.«
    »Aber nur, um dir Angst einzujagen!«
    »Ich hab aber gar keine Angst! Außerdem macht sie nur Spaß.«
    Ronja ging nicht länger auf Luke ein, weil sie genau wusste, dass er sich manchmal fürchtete. Unsicher sah sie erst zu ihm und dann zu Amelie. »Wir müssen meinen Papa holen. Er hat einen Schlüssel.«
    »Wenn sie jetzt drinnen ist und nicht rauskommt …« Amelie legte einen Finger an die Nase. Das tat sie immer, wenn sie besonders angestrengt nachdachte.
    »Ja? Was ist denn dann?« Ronja sah sie erwartungsvoll an. Auch Luke schwieg. Seine Schwester war die Älteste von ihnen und damit die Anführerin.
    Amelie wies mit einer übermütigen Geste in Richtung der Apfelbäume. »Dann könnten wir in den Verbotenen Garten«, stellte sie fest.
    »Wir dürfen nicht in den Verbotenen Garten. Deshalb ist er ja ver-bo-ten«, entgegnete Luke und reckte sein rundes Kinn gewichtig in die Höhe.
    Amelie verdrehte die Augen und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Und wer will uns das jetzt verbieten? Los, kommt!«
    Sie drehte sich um, lief über das Gras der Lichtung und riss das Tor des Zaunes auf, der den Gemüsegarten von der Wiese vor dem Haus trennte. Schon war sie unter den Apfelbäumen verschwunden, hinter denen ein weiterer, höherer Zaun um den verbotenen Teil des Gartens verlief. Als auch Luke sich zögerlich in Bewegung setzte, presste Ronja ihren Stoffkater Mikesch enger an die Brust und folgte den anderen Kindern. Ihr war gar nicht wohl dabei, doch irgendwer musste ja aufpassen – manchmal sogar auf Amelie, und wenn sie hundertmal älter war. Oma Mago hatte immer gesagt, es wäre gefährlich, im Verbotenen Garten zu spielen. Dann käme der große böse Wolf und fräße einen auf. Ronja glaubte natürlich nicht an den großen bösen Wolf. Sie hatte im Zoo echte Wölfe gesehen. Die sahen fast genauso aus wie die beiden Hunde auf dem Nachbarhof, und die waren auch nicht gefährlich. Aber echte Monster gab es natürlich trotzdem mehr als genug. Vampire zum Beispiel, oder böse Feen. Wer konnte schon wissen, was dort hinter dem efeuüberwucherten Zaun wirklich lauerte?
    Nun stell dich nicht an,
beruhigte sie sich.
Es ist alles wie immer!
    Sie war doch schon so oft hier gewesen, auch ohne Papa. Der und Mama sahen es zwar nicht so gern, wenn Ronja allein den Trampelpfad vom Hof zu Oma Mago ging, aber solange sie wussten, wo sie war, machten sie sich keine Sorgen. Und schließlich konnten sie sich darauf verlassen, dass Ronja niemals noch weiter in den Wald ging. Oma Mago wohnte ohnehin schon ganz schön weit weg von Steinberg. Wenn sie ins Dorf wollte, holten der Förster oder Papa sie meistens mit dem Auto ab. Das wurde dann großartig verabredet, weil Oma Mago auch kein Telefon hatte. Nicht einmal ein Handy! So sehr Ronja die alte Dame mochte, solche Dinge fand sie schon seltsam.
    Sie war ganz in Gedanken, als plötzlich ein schwarzer Schatten an ihren Beinen entlangstreifte. »Luzi! Was machst du denn hier?« Ronja hockte sich hin, um Oma Magos schwarze Katze zu streicheln. Das Tier schaute sie aus ernsten grünen Augen an und schnurrte leise. Eigentlich klang es ein bisschen bedrohlich, eher wie ein Knurren. Ronja strich sich eine vorwitzige braune Haarsträhne aus dem Gesicht und schaute sich um.
    Die
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