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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt
Autoren: Diana Menschig
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ihrem Traum aufgeschlagen? Wohin war ihr Verfolger verschwunden?
    »Du bist ein Traumwesen!«, schrie Merle ins graue Zwielicht. Das war mutig, und sie wollte mutig sein. Aber hatte sie jetzt wirklich geschrien, oder glaubte sie nur, es getan zu haben?
    Plötzlich hörte sie ein trockenes Stöhnen hinter sich und rannte los. Sie konnte nicht einmal sehen, ob sie von der Stelle kam. Aber sie musste weg hier, irgendwohin! Wenn ihr Verfolger sie einholte, war sie verloren. Sie bekam immer weniger Luft. Ihr Brustkorb schnürte sich zu. Sie keuchte unsicher. Sie wollte sich nicht umdrehen. Sie wollte endlich verdammt noch mal aufwachen!
    *
    »Trmwesn.« Merle hörte die Reste des vermeintlichen Schreis, von dem nur ein Wimmern übrig blieb. Sie riss die Augen auf. Jetzt war sie wach, endlich. Ihre Lungen waren immer noch schwer, wie nach einem langen Sprint. Und da saß jemand auf ihrer Brust! Sie konnte sich nicht bewegen!
    Dieses Mal schrie sie so laut, dass ihre Stimme durch den Raum gellte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hoben sich ihre Arme, langten nach dem Schatten und griffen ins Leere. Sie schlug um sich. Ein Buch polterte zu Boden. Merle erwischte den Schalter ihrer Nachttischlampe. Sanftes Licht flammte auf.
    Sie sprang aus dem Bett. Dankbar spürte sie kalte Luft auf ihrer erhitzten Haut. Während sich Atem und Pulsschlag langsam beruhigten, sah sie sich um. Es war alles wie immer. Nichts deutete darauf hin, dass außer ihr jemand hier gewesen war. Trotzdem hatte sich dieses Wesen so real angefühlt! Nicht der Verfolger in ihrem Traum, sondern der Schatten, der auf ihrer Brust gesessen hatte. Das war
nach
dem Aufwachen gewesen, nicht davor.
    Zum Teufel, was hatte das zu bedeuten?
    Merle schüttelte sich und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, um die Traumbilder zu vertreiben. Dann schlurfte sie ins Bad, hielt sich mit einer Hand das dunkelbraune Haar fest, damit es nicht nass wurde, und drehte den Wasserhahn auf, um etwas zu trinken. Die Fußbodenheizung war noch warm. Die Uhr auf der Ablage zeigte erst zwanzig nach zwölf, also hatte sie kaum eine halbe Stunde geschlafen.
    Sie stellte das Wasser ab, stützte sich mit beiden Händen auf dem Waschbeckenrand ab und starrte unentschlossen auf das Porzellan. Seit drei Nächten immer derselbe Ablauf, derselbe Alptraum. Jede Nacht hielt die Furcht in ihrem Inneren ein wenig länger an, lähmte sie, ließ sie den Rest der Nacht kaum oder gar nicht zur Ruhe kommen.
    Sie zwang sich, nicht länger darüber nachzudenken. Obwohl sie nicht wieder ins Bett wollte, kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück und legte sich hin. Selbst wenn sie nicht schlafen konnte, würde sie versuchen, einfach dazuliegen und zu entspannen. Sie musste früh raus, und es gab wichtige Termine. Außerdem war sie todmüde.
    Vielleicht zeigte das alles zusammen nur, wie dringend sie ein paar Tage Urlaub benötigte. Für einen Moment wünschte sie sich, Michael wäre bei ihr, aber der schlief in seiner eigenen Wohnung, wie meistens in letzter Zeit. Und vermutlich war das besser so. Er hätte ganz sicher genörgelt, weil sie ihn wach gemacht hätte. Nur wegen eines Alptraums, wie kindisch.
    Vorsichtshalber ließ Merle die Nachttischlampe brennen, so wie sie es in Kindertagen getan hatte. Dann war das eben kindisch, aber es gab ihr ein ganz klein wenig Sicherheit. Leider genügte das nicht. Sie zog die Decke enger um sich und kämpfte vergeblich gegen das einsetzende Frösteln an, das nicht von Kälte herrührte.
    *
    »Was ist nun?« Wilfried Frohns Stimme klang ungehalten, und Merle konnte es ihrem Mandanten nicht verübeln. Betont langsam, als wäre sie völlig in den Text auf dem iPad vor ihr vertieft, hob sie den Kopf und konzentrierte sich auf ihr Gegenüber.
    »Ich sehe gute Chancen für einen Vergleich, Herr Frohn. Herr Stockmann wird Ihnen die Unterlagen zusammenstellen.« Sie deutete auf ihren Kollegen Volker, der zustimmend nickte. »Dienstag machen wir einen letzten Besprechungstermin, dann sollten wir die Sache locker über die Bühne bringen. Einverstanden?«
    Frohn zog seine bekannt säuerliche Miene und nickte schließlich. Er raffte seine Papiere vom Tisch, verabschiedete sich mit einem knappen Gruß und verließ den kleinen Konferenzraum.
    Merle griff zur Thermoskanne, um sich noch eine Tasse Kaffee einzugießen. Das Gebräu war schon fast kalt und viel zu dünn, aber es war besser als nichts.
    »Ist alles in Ordnung mir dir?«, fragte Volker, nachdem er ihr die Thermoskanne
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