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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot
Autoren: Michael Bishop
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auf den Tisch legen, um sie zu kaufen.
    Heute beschäftigte Lia seine Gedanken. Sie praktizierte erst in der dritten Woche als niedergelassene Psychotherapeutin drüben in Warm Springs, aber wenn nicht bald Klienten kämen, die ihre Sitzungen bei ihr buchten, würde das Gehalt, das er als Gehilfe in der Tierhandlung bezog, nicht mehr ausreichen, um zu begleichen, was die Bonner-Pickfords an Raten für Lias neuen ›Zweitbesitz‹-Wagen und an Miete für das Apartment in Pine Mountain aufbringen mußten. Cal hatte einen ’68er Dodge Dart, mit dem er zur Arbeit nach La-Grange fuhr, aber Lia hatte ihren Erfolg als Psychiaterin gegen einen ’79er Cougar verpfändet. Zusammen kamen sie gerade so hin.
    Daß sie beide siebzehn-und-ein-bißchen Meilen weit von ihren Arbeitsstellen entfernt wohnten, war Quatsch, aber nachdem sie von Georgia nach Colorado gezogen waren, wo sie sich ’76 auf einem Folkrock-Konzert in Red Rocks kennengelernt hatten, hatte Lia darauf bestanden, so nah wie möglich bei ihren noch lebenden Verwandten – ihrer invaliden Mutter Emily und ihrem Bruder Jeff und seiner Familie – zu wohnen. Weil Jeff als Verwalter auf einem Gestüt nordwestlich von Pine Mountain arbeitete, hatte Pine Mountain sie erwischt, aber Cal fragte sich noch immer, wie er – ein angejahrter Hippie-Cowboy – je in King Richards solidem Süden hatte enden können, im Land von Baumwolle, Holzlatschen und Co’Cola.
    Plötzlich wurde Cal bewußt, daß da noch jemand hinten im Laden war. Er blickte auf und sah einen Mann von ungeheurer Größe durch den Gang schlendern und alles ringsumher begutachten. Gelegentlich nahm dieser gutgekleidete Mann – sein Westenanzug wirkte auffällig unpassend an seiner Footballspielergestalt – irgendeinen Gegenstand vom Regal (einen Striegel oder eine Dose Flohpulver), betrachtete ihn kurz und stellte ihn wieder zurück. Er spähte an die Decke und in die Ecken des Ladens und besah die Ware, und seine Haltung vermittelte bedrohliche Autorität.
    »Kann ich was für Sie tun?« fragte Cal, der neben einem Sack Zedernholzspänen hockte.
    Der Mann blieb stehen und starrte auf ihn herunter. »Ich sehe mich nur um.«
    »Na, nur zu. Wir haben’s gern, wenn jemand stöbert.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich stöbere«, erwiderte der große Mann und trat näher an die Reihe der Glaskästen heran. »Ich habe gesagt, ich sehe mich um.«
    »Umsehen ist auch okay. Sehen Sie sich nur um.«
    Der Störenfried musterte Cal, als sei er ein Striegel oder eine Dose Flohpulver. »Wenn ich etwas nicht tue, dann ist das stöbern. Ich schätze, ich werde wohl nie so etwas wie der Typ des verdammten ›Stöberers‹ sein.«
    Ein Störer schon eher, dachte Cal; ihm war entschieden unwohl bei dem Verlauf, den dieses Gespräch nahm. Wieso guckte der Kerl ihn denn immer noch an, um Gottes willen, und wieso kam er hierher ins ›Happy Puppy‹ und betatschte alles mit seinen dicken Pfoten, wenn er nicht an irgendeinem Tier oder Zubehör interessiert war?
    »Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann«, sagte Cal, »dann lassen Sie’s mich nur wissen.«
    »Sie werden der erste sein, der es erfährt, Kollege«, sagte der Mann, und die Linie seines Mundes ließ unbestimmt an ein spöttisches Grinsen denken. Aber das Grinsen verschwand gleich wieder, und der Mann entfernte sich langsam schlendernd in den vorderen Teil, nicht ohne unterwegs diverse Gegenstände in die Hand zu nehmen oder mit schmalen Augen anzuspähen. Schließlich stolzierte er am Kassencomputer vorbei und hinaus in die Hauptpassage des Einkaufszentrums.
    Cal bemühte sich verdattert, sich zu erinnern, woran er vor dieser Störung gedacht hatte.
    »Pickford!« brüllte Mr. Kemmings, der Besitzer dieser Niederlassung des ›Pet Emporium‹. »Pickford, kommen Sie bitte mal her!«
    Cal steckte bis an die Ellbogen in den Zedernspänen; duftende rote Schnitze klebten wie Blütenblätter an seinen Armen. Er streifte sie über dem Sack ab, rief seinem Arbeitgeber »Komme schon!« zu und rannte in die Toilette des Ladens, um sich die Hände zu waschen. Als er schließlich vorn ankam, forderte Mr. Kemmings, der versuchte, einer alten Frau in einem Tweedkostüm ein Paar Ringeltauben zu verkaufen, ihn auf, eine zweite Kundin zu bedienen.
    Diese Frau war eben eingetreten. Obgleich sie um Jahrzehnte jünger war als die Agatha-Christie-Gestalt, die Mr. Kemmings lauschte, war sie doch den Vierzig um sehr viel näher als Cal, den noch sechs Jahre von diesem
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