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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot
Autoren: Michael Bishop
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furchterregenden persönlichen Fixpunkt trennten. Neununddreißig, schätzte Cal. Vielleicht sogar einundvierzig. Sie trug ein schwarzes Cape, eine Sonnenbrille und eine scharlachrote Reithose, die in hohen Lederstiefeln steckte.
    Inkognito, dachte Cal. Sie spaziert inkognito herum.
    Mr. Kemmings erklärte: »Diese Dame sagt, sie würde gern ein Haustier kaufen, Pickford. Sie möchte, daß wir etwas empfehlen. Helfen Sie ihr.«
    »Jawohl, Sir.« In Colorado sagte man »Yeah« oder »All right« oder »Na klar«. In Georgia sagte man »Jawohl, Sir« und »Jawohl, Ma’am«.
    Die Frau mit der Sonnenbrille spähte über die verspiegelten Gläser hinweg zu einem Aquarium mit tropischen Fischen hinüber.
    »Mögen Sie Fische?« fragte Cal.
    »Nur gebacken, mit Zitrone und einem Strauß Petersilie. Vorzugsweise auf Reis.«
    »Da müßten Sie aber eine ganze Schule von denen hier backen, um eine Mahlzeit zusammenzubekommen«, antwortete Cal. »Und ein einziger Rotbarsch wäre billiger.«
    Die Frau richtete sich auf. Ihre Spiegelbrille musterte ihn. »Wegen der Kosten mache ich mir keine besonders schrecklichen Sorgen.«
    »Ich wünschte, das hätten wir früher gewußt. Da hätten wir ein paar Tiere aus gefährdeten Arten ins Lager nehmen können.« Im selben Augenblick bereute Cal seinen Sarkasmus. Wenn Mr. Kemmings solchen Stuß hörte, würde der Alte ihn auf der Stelle feuern, und was würden er und Lia dann anfangen?
    Zu seiner Überraschung lächelte die Frau. »Das ist ziemlich witzig für einen Burschen in einer Tierhandlung, Mr. Pickford.«
    »Tut mir leid. Wirklich. Ich hätte das nicht sagen sollen.«
    »Warum nicht? Dies ist ein freies Land.«
    Das Bild des großen Kerls, der vor dieser Frau im Geschäft gewesen war, blitzte beunruhigend in Cals Kopf auf. »Wenn man reich, weiß und Republikaner ist, vielleicht. Ansonsten hofft man tunlichst darauf, daß die Leute, mit denen man redet, nicht verdrahtet sind.« Cal konnte nicht glauben, daß er hier so redete. Aus dem Regen in die Sintflut. Lia würde ihm einen Asbesthandschuh für seine Zunge kaufen müssen, denn diesen Körperteil verbrannte er sich am häufigsten.
    Das Lächeln der Frau war nicht mehr warm, sondern trocken. »Nein, es ist ein freies Land sogar für Leute wie Sie, Mr. Pickford. In diesen Vereinigten Staaten besteht man noch, wenn man nur einen von drei Punkten erreicht. Man kann sogar alle drei in den Sand setzen, und es geht einem immer noch glänzend, solange man kein eingeschworener Anti- Patriot ist.«
    »Jawohl, Ma’am.«
    »Es wäre mir lieber, wenn Sie ›Jawohl, Miss‹ sagen würden.«
    »Jawohl, Miss.«
    »Ich nehme an, Sie sagen es aus freien Stücken –, ohne daß Sie das Gefühl haben, herumgeschubst zu werden, meine ich.«
    »Jawohl, Ma’am. Ich meine, jawohl, Miss.«
    »Ich bin hier, weil ich ein Tier kaufen möchte, einen Freund, der mir Gesellschaft leistet, wenn niemand sonst da ist, der das tun will.«
    Wie oft kann das vorkommen? fragte Cal sich, denn diese Frau, ob sie nun auf die Vierzig zuging oder vielleicht schon darauf zurückblickte, hatte eine hübsche Figur und ein gut proportioniertes Gesicht. Ihre Sonnenbrille konnte die angenehme Symmetrie ihrer Züge nicht verbergen.
    Laut sagte er: »Sind Sie eine Hundeperson oder eine Katzenperson? Vielleicht könnte mir das helfen, Sie einzuordnen.«
    »Ich bin weder das eine noch das andere, hoffe ich, Mr. Pickford. Sie sagen diese beiden Bezeichnungen als seien sie Titel.«
    »Titel?«
    »Seine Königliche Hoheit, der Prinz von Wales, Hundeperson. All-Star-Mittelfeldspieler Murph Dailey, Katzenperson. Können Sie sich vorstellen, wie man diese Worte in Dinnereinladungen prägt?«
    Plötzlich hatte Cal Angst. Mit wem redete er hier? War diese Person vielleicht – tatsächlich – verdrahtet? Und was war mit dem Kerl, der vor ihr dagewesen war? Die meisten von Mr. K.s Kunden benahmen sich lässig, unprätentiös, als fühlten sie sich wie zu Hause. Allzu viel Hautevolee sah man in West Georgia Commons nicht herumhängen. Selbst wenn sie Geld oder Erziehung oder beides besaßen, hatten sie von dem einen oder anderen oder von beidem genug, um sich wie alltägliche Amerikaner aufzuführen, nicht wie die hochgestochenen Figuren in einem Stück von Oscar Wilde. Cal war jetzt sicher, daß seine Bemerkung über ›reiche, weiße Republikaner‹ ein großer Fehler gewesen war. Die Frau gab ihm das zu verstehen. Sie wollte, daß er schwitzte. Und das war die einzige
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