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Dieser eine Moment (German Edition)

Dieser eine Moment (German Edition)

Titel: Dieser eine Moment (German Edition)
Autoren: Christoph Wortberg
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ewig gleichen Witze der anderen Lehrlinge, ihre abfälligen Blicke, wenn er nicht mit ihnen lacht. Es ist ihm peinlich, wenn sie sich mit ihren Liebschaften brüsten, von nackten Mädchenhintern reden oder damit prahlen, dass sie mal wieder eine rumgekriegt haben. Die Art, wie sie sich lustig machen über ein Stöhnen, den Geruch einer Lust. Er begreift nicht, warum sie Gefühle so leichtfertig in billige Trophäen verwandeln ...
    Er schaut Laura an. Sie liegt neben ihm, nackt und schön und vollkommen entspannt. Sie schläft. Woher diese Gewissheit? Die Wolken haben sich verzogen, die Nacht streichelt ihre Haut. Der Mond lässt die Härchen um ihren Bauchnabel silbrig schimmern. Ihre Schutzlosigkeit erschreckt ihn.
    Er hat sie auf einer Party kennengelernt. Einer aus dem Betrieb hat ihn mitgenommen ...
    Der Partykeller ist mit Holz verkleidet, eine ehemalige Waschküche. Es riecht nach Schweiß und Rauch und selbst gemachten Salaten. In einer Ecke steht eine zusammengeklappte Tischtennisplatte. Auf dem Tresen der Kellerbar ist eine Anlage aufgebaut. Einer der Gäste legt auf. Die üblichen Titel. Was man eben so spielt auf einer Party.
    Er steht neben einer Lautsprecherbox, trinkt Bier und schaut den anderen beim Amüsieren zu. Lachende Münder, verschwitzte Gesichter, tanzende Körper. Er kommt sich fremd vor, wie verloren. Um ihn herum ein unsichtbarer Kreis. Undurchdringlich. Für ihn und für die anderen.
    Ein fremder Atem an seinem Ohr, eine Stimme, die gegen die Musik anredet. Blitzende Augen unter langen braunen Haaren. Die helle Haut einer Armbeuge, eine bläulich hervortretende Vene. Eine Hand, die den Hals einer leeren Bierflasche umschließt. Er hat keine Ahnung, wie lange sie schon neben ihm steht.
    »Was hast du gesagt?«, fragt er.
    »Wie du heißt.«
    Er hält seinen Mund an ihr Ohr, damit sie ihn versteht. Die Andeutung eines Parfums, unbekannt und lockend.
    »Jan«, sagt er. »Und du?«
    »Laura.«
    Sie ist kleiner als er. Sie wippt mit den Füßen im Takt der Musik. Im Ausschnitt ihres gemusterten Tops kann er den Ansatz ihrer Brüste sehen. Der Tieftöner neben ihm wummert in seine Kniekehlen. Jeder Schlagzeugbeat ein Treffer. Sie fasst ihn am Arm, zieht ihn mit sich rüber zur Tischtennisplatte.
    »Hier ist es nicht so laut«, sagt sie.
    »Ja«, sagt er.
    Xavier Naidoo singt von einem Weg, der steinig ist und schwer.
    »Und?«, fragt sie. »Gefällt’s dir?«
    »Was meinst du?«
    »Die Party.«
    »Weiß nicht«, sagt er, »ganz okay.«
    Etwas ist anders. Der Kreis ist verschwunden. Keine unsichtbaren Wände mehr. Sie wartet darauf, dass er etwas sagt, aber ihm fällt nichts ein.
    »Irgendwie komisch«, sagt sie nach einer Weile und schaut auf die Tanzenden. »Als wäre man nicht dabei.«
    Genau so, denkt er, als wäre man nicht dabei. Er betrachtet sie verstohlen. Sie strahlt eine Verlorenheit aus, die ihn anzieht.
    »Redest wohl nicht so viel«, sagt sie.
    »Kommt drauf an.«
    »Worauf?«
    »Weiß nicht«, sagt er. »Keine Ahnung.«
    Sie deutet auf eine groß gewachsene Braunhaarige, die mit dem Lehrling aus seinem Betrieb knutscht. Dario. Sie schieben sich gegenseitig ihre Zungen in den Hals.
    »Meine Schwester«, sagt Laura.
    »Den Typen kenn ich«, sagt Jan. »Der macht mit jeder rum.«
    »Sie ist genauso«, sagt Laura.
    »Und du?«, fragt er. »Wie bist du?«
    »Jedenfalls nicht so«, sagt sie und lacht.
    Eis, das bricht. Er kann die Schollen knacken hören.
    »Was machst du so?«, fragt sie.
    »Lehre«, sagt er. »Und du?«
    »Schule«, sagt sie.
    Er überlegt verzweifelt, was er als Nächstes sagen könnte, aber ihm fällt nichts ein. Er spürt, wie sich sein Körper versteift.
    »Was bist du für ein Sternzeichen?«, fragt sie.
    »Was?«
    »Dein Sternzeichen.«
    »Widder. Und deins?«
    »Jungfrau.«
    Sag was, denkt er, sag irgendwas.
    »Soll ich dir noch ein Bier holen?«, fragt er. »Oder was anderes?«
    »Bier wäre cool.«
    Als er mit zwei Flaschen aus dem Nebenraum zurückkommt, ist sie verschwunden. Kein Wunder. Sie ist nicht die Erste, die er mit seiner Einsilbigkeit vertrieben hat. Er fühlt sich wie betäubt. Dario greift Lauras Schwester an die Brust. Sie lässt ihn gewähren. Jan versteht das nicht.
    Plötzlich steht Laura wieder neben ihm.
    »Musste nur mal aufs Klo«, sagt sie.
    »Klar«, sagt er und kommt sich vor wie ein Idiot.
    »Für mich?«, fragt sie und deutet auf die zweite Bierflasche in seiner Hand.
    »Ach so, ja«, sagt er, »entschuldige.«
    Er reicht ihr die
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