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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen
Autoren: Annabel Dilling
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der Paartherapie. Schon wieder so ein Wort.
    In den USA sind die ersten Einrichtungen für Eheberatung in den 1930er Jahren entstanden, 1942 wurde der Berufsverband der Eheberater gegründet, die American Association of Marriage Counselors. In Deutschland gab es ähnliche Angebote lange nur von den Kirchen, erst mit den 68ern und dem damit einhergehenden Psychoboom verbreitete sich das Berufsbild des Paartherapeuten auch bei uns.
    »Die neue Wissenschaft suggerierte, dass sich eine Beziehung aus einer neutralen Perspektive untersuchen ließ«, schreibt Eva Illouz in »Die Errettung der modernen Seele«. »Dies wiederum implizierte, dass sie auch kritisiert werden konnte. Wenn Unzufriedenheit in der Ehe wissenschaftlich zu heilen war, dann bedeutete dies, dass die fieberhafte Suche nach einem besseren Leben Männer und Frauen dazu bringen würde, ihre Beziehungen mit ängstlichem Blick zu überprüfen.«
    Den »ängstlichen Blick« haben auch Tobias und Silke Grasser, die beiden Selbstständigen aus Köln. Als sie mit der S-Bahn zum ersten Mal zu ihrer Paartherapeutin fahren, schweigen sie die meiste Zeit. »Es war wie bei einem Arztbesuch, da weiß man ja auch vorher nicht, wie die Diagnose ausfällt«, erinnert sich Tobias. »Ich wusste, die Therapeutin wird uns zwingen, ein paar Schritte zurückzutreten und das Bild unserer Beziehung im Ganzen zu sehen. Wird mir gefallen, was ich sehe? Sind da nicht Stellen, die ich gar nicht anschauen möchte?« Ihm ist ein wenig mulmig zumute.
    Doch schon nach wenigen Minuten merken beide, wie gut es tut, vor einem Dritten über ihre Probleme zu sprechen. »Unsere Auseinandersetzungen hatten nun einen Ort. Wir waren nicht mehr so daheim gefangen in unseren Streits«, erinnert sich Silke.
    Eine der ersten Fragen der Paartherapeutin ist: Wie schaut’s mit dem Sex aus? 21 Silke zögert. »Geht so, wir streiten ja dauernd.« »Und wenn Sie Sex haben, wie ist die Qualität?« Diesmal antwortet Tobias: »Also … äh, wenn, dann ist es schon sehr gut, dann kracht’s, aber so richtig.« Silke muss schallend lachen, und Tobias stimmt ein. Vielleicht wird ja doch alles gut. Nacheinander erzählen die beiden von ihren Problemen: von der Streitspirale, aus der sie nicht herauskommen, dem Alltagshickhack um den Haushalt, der Eifersucht.
    »Ich glaube, der Sinn dieses Therapiekonstrukts ist, dass man jemanden durch die Augen desjenigen sieht, der es gerade zum ersten Mal hört«, sagt Tobias. »Mir war schon nach der ersten Sitzung klar, dass es eine gute Idee war, dorthin zu gehen. Aber auch, dass es noch dauern wird, um das wieder hinzukriegen, dass es aber auch spannend wird.« Dass es spannend wird? Tobias’ Aussage überrascht mich.
    Alle Experten, mit denen ich über Paartherapie gesprochen habe, sagten, dass es in der Regel die Frauen sind, die mehr an einer Beziehung arbeiten, die Probleme ansprechen und den Gang zum Paartherapeuten initiieren – auch bei Tobias und Silke war es so. Es war Silke, die eine Therapeutin ausgesucht und einen Termin vereinbart hatte. Aber spätestens nach dem ersten Termin war Tobias von dem Projekt überzeugt. Für ihn war die Paartherapie nun nicht mehr die unvermeidbare Not- OP ihrer Beziehung, sondern hatte einen Wert an sich. Er würde etwas über sich und seine Ehe erfahren, was er bisher nicht wusste. Es würde sogar »spannend« werden.
    Bei der dritten Sitzung erzählt Tobias der Therapeutin, wie sehr er sich vernachlässigt fühlt, dass er bei Silkes Präsenz manchmal glaubt, hinten runterzufallen, dass er nicht das Gefühl habe, sie brauche ihn oder interessiere sich für seine Bedürfnisse. Silke schluckt, als sie Tobias so offen sprechen hört. »Bis dahin dachte ich immer, er will mich aus der gemeinsamen Wohnung haben, mich regelrecht loswerden. Er war es ja, der vorgeschlagen hat, dass ich mir ein externes Büro suche, weil wir so dicht aufeinanderhockten. Jetzt hörte ich zum ersten Mal, dass Tobias sich von mir unbeachtet fühlte. Das tat mir sofort unglaublich leid.« Im Nachhinein war das vielleicht der Moment, in dem die Chemie wieder in Ordnung kam.
    Und die Alltagsnervereien? Die offenen Kühlschranktüren und herumliegenden Socken? Vieles kam den beiden schnell lächerlich vor. Das Geheimnis ist, erzählt Tobias, an einen Punkt zu kommen, wo die Sachen, die man am anderen als Unart oder als merkwürdig empfindet, wieder zugelassen sind. »Man darf nicht alles als Angriff werten«, ergänzt Silke.
    Dass man aufhören muss, den
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