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Diesen Partner in den Warenkorb legen

Diesen Partner in den Warenkorb legen

Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen
Autoren: Annabel Dilling
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sagen: »Ich habe ein Problem damit, dass du deine Schuhe anlässt, wenn du von der Arbeit kommst.« Aber es ist eben schwer, nie »nie« und »immer« zu sagen.
    Man erfährt in den zamm-Seminaren auch, was die vier »apokalyptischen Reiter« sind, ein Konzept des amerikanischen Psychologen John Gottman. Seine These: Die vier Reiter sind die Vorboten einer jeden Trennung. 1. Kritisieren und klagen. 2. Sich rechtfertigen (indem man zum Beispiel persönliches Fehlverhalten leugnet und die eigenen Anteile am Streit bagatellisiert) 3. Den Partner verachten (durch Gehässigkeiten und Abwertung) 4. Schweigen und mauern. Letzteres ist übrigens ein häufiges Streitverhalten von Männern, erzählen die beiden Psychologinnen. Wenn der vierte »Reiter« auch die Frauen erfasse, sei es schwierig bis unmöglich, die Beziehung noch zu erneuern, die emotionalen Bindungen sterben ab.
    Als Bettina Bergau von den »Beziehungspflegemaßnahmen« erzählt, die sie ihren Teilnehmern mit auf den Weg gibt (»man muss sich als Paar schöne Momente reservieren«), fällt mir das Ehepaar ein, von dem ich neulich im Stern gelesen habe: Die beiden haben sich ein festes Zwiegespräch eingerichtet. Jeden Sonntag setzen sie sich an den Wohnzimmertisch, machen die Türen zu, die Kinder müssen draußen bleiben. Dann erzählt ein Partner eine halbe Stunde lang, was ihm auf der Seele brennt, ohne dass ihn der andere unterbricht, und danach ist er dran. Eine Therapiesitzung ohne Therapeut.
    Ob Ratgeberliteratur, Paartherapie oder spielerische Veranstaltungen wie zamm: Die Angebote für Paare, Konflikte zu lösen, sind so zahlreich wie nie. Überall liest man von den Spielregeln für den gepflegten Beziehungsstreit, und es scheint, dass unter modernen Paaren ein Bewusstsein dafür entstanden ist, worauf man im Umgang miteinander zu achten hat: Ein Bekannter erzählte mir kürzlich, dass seine Frau und er die feste Regel hätten, dass im Schlafzimmer nicht gestritten werde – ein einfacher Kniff, sagte er, der in den allermeisten Fällen dazu führe, dass man sich versöhnt, bevor man ins Bett geht. Wie vernünftig das klingt!
    Ich bezweifle trotzdem, dass wir mit der Zeit alle zu Streit-Strebern werden. Dieselben Paare, die eigentlich verinnerlicht haben, dass man nie »nie« und »immer« sagt, kämpfen in der Praxis mit herumliegenden Ladekabeln und zu wenig Sex. Nörgeln über nicht erledigte Hausarbeit, Fußnagelreste auf dem Badezimmerboden, über stehen gelassene Gläser in der Wohnung, zu viel Fernsehen, zu wenig mitgebrachte Blumen, über nervige Anrufe »deiner werten Mutter«, und sie nörgeln über zu viel Genörgel.
    Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim haben recht, wenn sie schreiben, dass die Geschichte der modernen Liebe längst kein romantisches Königskinder-Drama mehr ist: Aus »Sie können zusammen nicht kommen« wurde »Sie können zusammen nicht leben«.
    »Wie hat sich die Liebe verändert?«, frage ich die beiden zamm-Gründerinnen. »Glaubt ihr, Paare zwischen dreißig und vierzig sind heute anders als noch vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren?« »Uns fällt auf, wie leicht man sich heute trennt«, sagt Katharina Bublath, und Bettina Bergau stimmt ihr durch ein Nicken zu. »Die meisten glauben, eine Beziehung dürfe keine schlechten Phasen haben. Der Wunsch, unabhängig zu bleiben, jederzeit aus der Nummer wieder raus zukönnen, ist größer als früher.«
    Als wir gezahlt haben, frage ich sie noch nach den geistigen Vätern und Müttern von zamm. Sie erwähnen noch einmal den Psychologen John Gottman, eine der größten Koryphäen der Paarforschung, sie nennen den Schweizer Guy Bodenmann, der viel über den Zusammenhang von Stress und Beziehungskonflikten geforscht hat. Und dann fällt noch ein Name: Arnold Retzer aus Heidelberg. Sein Buch »Lob der Vernunftehe«, in dem er für »mehr Realismus in der Liebe« plädiert, stand 2009 wochenlang auf der SPIEGEL -Bestseller-Liste.
    Als das Buch herauskam, hatte ich Arnold Retzer schon einmal interviewt. Es passiert mir in meinem Beruf selten, dass ich am Ende eines Interviews den Hörer auf die Gabel lege und freudig perplex bin, wie viel ich gerade für mein eigenes Leben gelernt habe – in diesem Fall war es so. Retzers Aussagen hallten noch lange in mir nach.
    Zum Beispiel seine Vorstellung von einer »vernünftigen« Auffassung von Liebe: Ein Jäger geht durch den Wald und sieht überall Zielscheiben an den Bäumen und darin Pfeile, die exakt im Zentrum stecken. »Da muss
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