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Diesen Partner in den Warenkorb legen

Diesen Partner in den Warenkorb legen

Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen
Autoren: Annabel Dilling
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ein Meisterschütze am Werk sein«, denkt der Jäger. Als er einen Mann mit Pfeil und Bogen sieht, fragt er: »Was ist das Geheimnis deines Erfolgs?« Der Schütze antwortet: »Ich schieße und male dann die Zielscheibe um den Pfeil.« »Den richtigen Partner gibt es also nicht«, sagte Retzer, »wir müssen ihn zum Richtigen machen.« Überflüssig zu erwähnen, dass Retzer all jenen Anbietern der Single-Industrie, die das Gegenteil behaupten, skeptisch gegenübersteht. 19
    Ich hatte immer gehofft, ihn noch einmal persönlich zu treffen. An einem regnerischen Tag im April ist es schließlich so weit. Nicht weit vom Ufer des Neckars, wo gerade die Blüten der Kirschbäume explodieren, erreiche ich das Hinterhofgebäude, in dem sich das Systemische Institut Heidelberg ( SIH ) befindet. Arnold Retzer bildet dort seit vielen Jahren Psychotherapeuten und Berater aus.
    Mich begrüßt ein braun gebrannter, großer Mann mit einem weißen Bart und einer sanften, ernsten Stimme. Die großflächigen Bilder an den Wänden sind mit A. R. signiert. »Malen Sie in Ihrer Freizeit?«, frage ich, als wir den Flur zu seinen Seminarräumen entlanggehen. »Nein, die hat meine Frau gemalt.« Arnold Retzer ist seit 25 Jahren erfolgreich verheiratet. Der Mann weiß, wovon er spricht.
    »Wir wollen dran arbeiten« – Der Paartherapieboom und die Frage: Kann man Gefühle kitten?
    Ein Dutzend angehende Paartherapeuten kommt uns entgegen, vor allem Frauen. Es ist gerade Mittagspause, Arnold Retzer gibt den ganzen Tag Seminare. Das Geschäft mit dem Beziehungskitt boomt. Ein Einstellungswandel hat sich vollzogen. »Früher galt Paartherapie als Behandlungsversuch für etwas Pathologisches. Eine Beziehung wurde als defizitär angesehen, war offenbar behandlungsbedürftig. Heute ist Paartherapie für viele ein Lifestyleverfahren.« Als wir uns an einen Glastisch setzen, erzählt Retzer von Klienten, die zur Goldenen Hochzeit von ihren Kindern eine Sitzung bei ihm geschenkt bekämen – »anstelle des obligatorischen Wellnessaufenthalts«.
    Heißt das, Paare sind heute kompetenter in ihrem Umgang mit Konflikten und Krisen? Retzer zögert. »Einerseits ja, es gibt eine größere Bereitschaft, sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Und es gibt viel mehr Paare, als man denkt, die es hinkriegen, eine zufriedenstellende Beziehung zu führen.« Das klingt nach einem Aber, sage ich. »Die gestiegene Kompetenz hat nichts mit der Ratgeberliteratur zu tun. Im Gegenteil: Ich glaube, diese Bücher tragen eher zum Misslingen von Beziehungen bei, weil sie suggerieren, man könne etwas richtig machen. Genau wie die vielen Glücksratgeber. Wenn man die dann gelesen hat und die Tipps anwendet, ist man oft nicht nur weiterhin unglücklich, sondern auch noch schuld daran. Es ist paradox: Je mehr Kompetenzerweiterungsangebote es gibt, desto mehr Ebenen gibt es, auf denen man scheitern kann.«
    Kompetenzerweiterungsangebote. Retzer liebt solche komplizierten Wortschöpfungen. Aber die große Frage ist natürlich: Kann man Beziehungen kitten? Kann man die emotionale Umkehr einleiten, wenn die eigenen Gefühle nicht mehr mitmachen? Die Erfolgsquoten von Paartherapeuten sind erschreckend niedrig. 20 Wobei: Was heißt eigentlich Erfolg? Eine Trennung nach einer langjährigen Beziehung über die Bühne zu bringen, ohne sich dabei zu zerfleischen, so dass beide Partner die Möglichkeit haben, neu anzufangen und glücklich zu werden, kann ja auch ein Erfolg sein.
    Retzer sagt, der Erfolg (im Sinne von Zusammenbleiben) hänge davon ab, mit welchen Absichten man zur Paartherapie gehe: »Es gibt Paare, bei denen spürt man richtig, wie die mit sich ringen, für die ist der Gang zum Paartherapeuten ein ernsthafter Versuch, nachdem andere Strategien gescheitert sind. Bei dem zweiten Typ Paaren sehe ich, wie da einer versucht, den anderen dorthin zu bringen, wo man glaubt, dass er seit der Hochzeit hingehört. Diesen Paaren versuche ich deutlich zu machen, dass diese Form der Partner-Manipulation nichts bringt.«
    Retzer erzählt noch von einem dritten Typ: Paare, bei denen einer sich bereits aus der Beziehung verabschiedet hat, sei es durch eine Affäre oder einfach durch eine Art innere Kündigung. Für diese Leute sei die Paartherapie ein Versuch, sich moralisch sauber aus der Affäre zu ziehen. »Wenn man zum Paartherapeuten geht und dort scheitert, kann man sagen: An mir hat’s ja nicht gelegen.« Moralische Unkostenreduktionsveranstaltung nennt Arnold Retzer diese Form
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