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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman
Autoren: Richard Russo
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Drehbücher geschrieben hatte, waren Recherchen immer an Tommy hängen geblieben, der ein durch und durch neugieriger Mensch war, wenn auch leicht abzulenken. Mit seinem eigenen Unwissen konfrontiert, neigte Griffin dazu, sich einfach etwas auszudenken und weiterzumachen, wogegen sein Partner es vernünftigerweise vorzog, ihre Geschichte auf eine solide, durch Fakten abgesicherte Basis zu stellen. »Du weißt doch: Wenn die Kameras laufen, müssen sie auf etwas gerichtet sein, das in der wirklichen Welt tatsächlich existiert«, hatte er gesagt. Worauf Griffin gewöhnlich erwidert hatte, dass die Kameras nie auf etwas gerichtet sein würden, wenn sie sich weiter mit dem ganzen Hintergrundzeug herumschlagen müssten.
    »Die Bücher, die ich brauche, sind in der Sterling Library«, fuhr seine Mutter fort. »Dort genieße ich ja noch immer gewisse Privilegien.«
    Es war, wie Griffin wusste, durchaus möglich, dass dies der eigentliche Grund ihres Anrufs war: ihn daran zu erinnern, wer sie war, wer sie gewesen war und dass sie in der Bibliothek von Yale noch immer gewisse Privilegien genoss. Eigentlich brauchte sie diese Bücher vielleicht gar nicht.
    »Und dann wären da noch ein paar Artikel aus Zeitschriften. Die kannst du ja einfach fotokopieren. Die Bibliothek bietet zwar einen Fotokopierdienst an, aber es ist billiger, wenn du das erledigst. Ich habe schließlich keinen Geldbaum, wie du weißt.«
    Wie er allen Grund hatte zu wissen. Ihre Pension und die von der Universität finanzierte Lebensversicherung deckten nur einen großen Teil der Kosten für das Heim und die Betreuung ab – den Rest bezahlte Griffin.
    »Du kannst sie auf dem Weg hierher abholen. Wäre das dann im Juni? Dein bevorstehender Besuch, meine ich«, sagte sie. Offenbar war jeder Widerstand zwecklos.
    »Ich kann gegen Ende des Monats für ein paar Tage kommen, wenn du mich brauchst.«
    »Vorher nicht?«
    »Ich habe noch nicht mal die Semesternoten geschrieben. Mein Kofferraum ist voller Portfolios.« Von Dads Asche ganz zu schweigen , hätte er beinahe hinzugefügt.
    »Du liest sie tatsächlich?«
    »Hast du deine denn nicht gelesen?«
    »Wir hatten keine ›Portfolios‹, dein Vater und ich«, erinnerte sie ihn. »Wir hatten Seminararbeiten. Unsere Studenten haben wissenschaftliche Arbeiten mit Fußnoten geschrieben. Wir haben echte Seminare mit echten Inhalten veranstaltet.« Mit anderen Worten: Ihre metaphorische Kamera war auf etwas gerichtet gewesen, das tatsächlich existierte. »Wir hatten Lektürelisten. Wissenschaftliche Strenge.«
    Ein Wagen rauschte vorbei, seine dopplernde Hupe ließ Griffin zusammenzucken. »Bist du sicher, dass ich qualifiziert bin, die Fotokopien zu machen? Was, wenn ich es vermassele?«
    »Also, was hast du gedacht … über deinen Vater und mich?«
    Für einen Augenblick erwog er ihr zu sagen, er fürchte, wie sein Vater zu werden – das sei es, was hinter den Blechschäden und den Anfällen von Unentschlossenheit steckte. Aber natürlich würde es seine Mutter wütend machen und das Gespräch verlängern, wenn er andeutete, dass er mehr Ähnlichkeit mit seinem Vater habe als mit ihr. »Ich dachte, du wolltest nicht in meinen Gedanken herumschnüffeln, Mom. Hast du nicht eben gesagt, dass meine Gedanken allein meine Sache sind?«
    »Das sind sie natürlich. Könntest du es vielleicht trotzdem, als einen persönlichen Gefallen, so einrichten, dass du an deinen Vater und mich separate Gedanken hast?«
    »Ich habe nur daran gedacht, wie glücklich ihr immer wart, wenn wir über die Sagamore Bridge gefahren sind, und dass ihr dann ›That Old Cape Magic‹ gesungen habt.« Und wie unglücklich ihr jedes Mal an dieser Stelle wart, wenn wir in die andere Richtung gefahren sind . »Als wäre das Glück mit einem bestimmten Ort verbunden.«
    Doch sie hatte keine Interesse an einem Spaziergang durch Erinnerungen. »Da wir gerade von Orten des Unglücks sprechen: Wenn du hier bist, möchte ich, dass du dir den ansiehst, an dem ich neuerdings bin.« Es war das dritte Heim für betreutes Wohnen in ebenso vielen Jahren. Das erste hatte zur Universität gehört und war voller Menschen gewesen, denen sie hatte entkommen wollen. Das zweite war bevölkert mit Bauersfrauen aus dem Scheiß-Mittelwesten, die Agatha Christie lasen und nicht verstehen konnten, warum sie über den Miss-Marple-Krimi, den sie ihr mit den Worten »Das wird Ihnen gefallen – wahnsinnig spannend« anboten, die Nase rümpfte.
    »Und ich meine: wirklich
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