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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Autoren: Andrew Offutt
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besser gesagt, ihr Haar.
    »Wie auch immer, diesmal stahl ich mich heimlich in den
Palast, denn ich wollte nicht, daß irgend jemand sah, wie man
mich hinein ließ; wer aus Abwind oder dem Labyrinth hätte
mir danach sonst noch über den Weg getraut? Und diesmal brachte
es mich – schon wieder – in arge Schwierigkeiten, daß
ich ihm half. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Beim ersten
Mal – nachdem ich wieder aus dem Kerker und aus den Händen
dieses bärengroßen Schmieds, der den Folterknecht spielte,
heraus war – stellte er mir eine Urkunde aus, die mir volles
Pardon für alles gewährte, was ich mir bis dahin hatte
zuschulden kommen lassen. Ich meine natürlich Kadakithis, nicht
den folternden Grobschmied oder dieses riesige Schwein Zalbar. Das
weißt du ja, du hast die Urkunde mit seiner Unterschrift und
dem Siegel darauf selbst gesehen. Ich ging damit sofort zu deiner
Mutter…«
    »Oh, ich erinnere mich. Das ist Jahre her. Ich war
damals noch ein Mädchen. Du hast es zu meiner M-m-mutter
gebracht… weil sie lesen konnte und du sicher sein wolltest,
daß es wirklich ein Pardon war.« Ihre Stimme hatte
gezittert, aber es war ihr gelungen, die Schluchzer zu
unterdrücken, die wieder aus ihr hervorbrechen wollten.
    »Uhmm«, machte Hanse und fragte sich plötzlich, ob
Mondblume ihre Tochter lesen gelehrt hatte. Er hoffte es auf jeden
Fall. Wenn sie eine Familie gründen würden, wäre es
hilfreich – sogar wunderbar –, wenn einer von ihnen das
Alphabet beherrschte und lesen konnte.
    »Kadakithis war auch damit einverstanden, die Satteltaschen
zu vergessen«, fuhr er fort, »wenn es auch mein Problem
war, sie wieder hochzuholen. Es war ihm egal, er ist ein reicher
Rankaner kaiserlichen Blutes, und es war ja nur Geld. Außerdem
war er ja so entzückt und stolz darauf, daß er in dieser
Nacht getötet hatte. Einen Mann, meine ich. Seinen ersten.
Damals habe ich ihm gesagt, daß mein Beruf das Stehlen ist, und
daß das Töten die Aufgabe von Soldaten, Prinzen und
ähnlichen Leuten wäre.«
    »O Hanse! Hat ihn das nicht wütend gemacht?«
    »Nein. Er lachte! Ich habe dir erzählt… ich will
nicht behaupten, daß wir beide Freunde sind, Mignue, aber wir
konnten nicht umhin, uns irgendwie zu mögen. Ich glaube, wir
sind etwa im gleichen Alter, und das war ihm ganz deutlich
bewußt. Ich erinnere mich noch, daß ich dachte, daß
er schlau genug war, um selbst ein Dieb zu sein!«
    »Hanse! Das hast du ihm doch nicht etwa gesagt!«
    Er lachte leise in sich hinein. »Richtig. Das habe ich ihm
nicht gesagt.«
    »Das ist ja alles so aufregend, Liebling!« rief sie und
zog sich an ihm hoch, um ihn zu küssen.
    Nach einer Weile fragte sie ihn mit ganz leiser Stimme, ob er
schon jemanden getötet hätte.
    »Ja«, antwortete er genauso ruhig und spürte,
daß sie sich verkrampfte, wie es auch sein Magen tat. »Ich
habe es nie vorgehabt. Töten war nie etwas, was ich tun wollte.
Ich wollte, daß die Leute dachten, ich könnte und
würde es tun. Klauer sagte mir: ›Trage die Waffen sichtbar
und versuche, böse auszusehen, Junge. Die Leute sehen die Waffen
und glauben dem äußeren Schein, und du wirst sie nicht
benutzen müssen.‹«
    »Oh, das war ein guter Rat«, sagte sie und verstand ihn
etwas besser. Warum er zum Beispiel die vielen Messer und nachts
schwarze Kleidung trug – oder getragen hatte, damals in
Freistatt. Und warum er immer so finster dreinschaute.
    »Das war er, und ich befolgte ihn. Ich wollte niemanden
umbringen. Ich wußte nicht, ob ich dazu überhaupt in der
Lage war, und ich wollte es auch wirklich nicht herausfinden. Ich
wollte nur Nachtschatten sein, klettern und mich verstecken, mich da
hineinschleichen, wo sonst niemand hineinkam, und unbemerkt wieder
verschwinden, den Kitzel spüren, wie eine Wanze herumzukriechen,
Sachen stehlen und dabei nie erwischt und nicht einmal gesehen
werden. Und ich wollte diese Waffen nie benutzen
müssen.«
    Sie unterbrach ihn mit einer Frage, die aus ihr herausplatzte und
die sie beide überraschte: »Hanse? Warum sagt man, wie eine
Wanze herumkriechen? Warum Nachtschatten die Wanze?«
    »Hmpf! Was kriecht in der Nacht hervor und bewegt sich besser
in der Dunkelheit als im Licht?«
    »Oh! Das… gefällt mir nicht gerade.«
    Seine Antwort kam unverzüglich und aus vollem Herzen:
»Mir auch nicht.«
    »Gefällt es dir, als Nachtschatten bekannt zu
sein?«
    »Es stört mich nicht«, sagte er, aber sein Tonfall
verriet, daß es mehr als das war. Der Name
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