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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Autoren: Andrew Offutt
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war er zum dritten Mal in den Palast eingedrungen und wieder
mit dem Zepter der Macht entkommen, diesmal mit dem Zepter des neuen
Herrschers oder der Herrscherin oder des Herrscher Dings, der Beysa.
Und es war derselbe Abend gewesen, an dem er klugerweise entschieden
hatte, daß es ratsam sei, aus seiner Geburtsstadt zu
verschwinden.
    Aus einem spontanen Entschluß heraus war die verwaiste
Mignureal mit ihm gegangen. Sie war eine S’danzo, eine angehende
Seherin, die gerade ihre Mutter verloren hatte. Man hatte ihre
Unschuld bewahrt und sorgfältig gehütet, und manchmal war
Mignureal ein Werkzeug der Götter, der gütigen
Götter.
    Gerade beobachtete sie Hanse und ließ ihre Augen über
die kleinen Backen seines festen Hinterns wandern, die sich unter
seiner Tunika abzeichneten, als er sich streckte, um einen weiteren
Schluck Bier zu trinken. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, der
ihn trotz seines Aussehens und seines Gehabes liebte. Sie und eine
gewisse Göttin.
    Sie genoß die schwache Brise, die von Süden her
aufgekommen war, der Richtung, aus der sie gekommen waren. Sie
bemerkte nicht, daß die drei Tiere die Köpfe hoben, weil
sie einen Geruch witterten, den der leise Luftzug mit sich trug. Sie
stellten ihre Ohren nach vorne und blickten in diese Richtung in die
Dunkelheit. Hanse hatte es bemerkt. Er runzelte die Stirn,
preßte die Lippen zusammen und stellte das Bier mit einer
entschlossenen Bewegung beiseite. Da er daran gewöhnt war, Dinge
in aller Heimlichkeit zu tun, begann er unauffällig den Sitz
seiner verschiedenen Messer zu überprüfen, ohne Mignureal
dadurch irgendwie zu beunruhigen.
    Als er ein natürliches Bedürfnis verspürte, ging er
einfach auf die andere Seite der Pferde, öffnete seine Hose,
ließ sie heruntergleiten und urinierte in den Sand. Er hatte
überhaupt nicht daran gedacht, daß es Mignureal Probleme
bereiten könnte, ihre Notdurft zu verrichten, bis ihm ihre
Zappeligkeit auffiel und er eine entsprechende Bemerkung machte. Sie
wandte den Blick ab.
    »Mignue?« sagte er in fragendem Tonfall. Endlich sagte
sie ihm, was ihr Probleme bereitete.
    »Verdammt! Es tut mir leid«, sagte er. »Ich bin es
nicht gewöhnt, mir Gedanken über die Frauen zu machen! Geh
einfach hinter die Pferde, nur ein kleines Stückchen. Da
draußen ist ein riesengroßes Klo.«
    »Oh«, machte sie und sah auf eine belustigende Art
verlegen aus. Daß sie versuchte, ihre Verlegenheit zu
verbergen, machte das Ganze nur noch offensichtlicher. Mit
rauschenden Kleidern ging sie an ihm vorbei.
    »Mignue… bleib bitte in Sichtweite«, bat Hanse.
    Sie wirbelte herum. »Was?!«
    »Äh, ’tschuldigung. Tut mir leid. Ich meine,
äh… geh bitte nicht zu weit, ja?«
    »Natürlich nicht. Das mußt du mir nicht sagen,
Hanse. Ich bin kein Kind mehr. Ich bin Mignue, weißt du das
nicht mehr? Deine Frau. «
    »Natürlich. Richtig. Ja. Es tut mir leid,
Mignue.«
    »Und wehe, du schaust zu!«
    Hanse drehte sich um, damit sie nicht sehen konnte, daß er
den Blick ergeben zum Wohnsitz der Götter emporrichtete.
     
    Sie aßen Datteln, Brot und den salzigen Trockenfisch. Dann
saßen sie mit überkreuzten Beinen im Sand und plauderten
ein wenig. Ab und zu küßten sie sich, und Hanse konnte
sich nur unter großen Anstrengungen und mit bewundernswerter
Beherrschung davor zurückhalten, ihren Körper mit seinen
Händen zu erforschen. Er trank auch kein Bier mehr und hatte
sich, um Mignureal nicht zu beunruhigen, so gesetzt, daß er
sowohl den Süden wie auch den Onager und beide Pferde im Auge
behalten konnte.
    Er verspürte gar kein Verlangen mehr nach Bier. Er hielt
Wache. Außerdem hatten Hanse und der Alkohol ohnehin nur
flüchtig miteinander Bekanntschaft gemacht. Abgesehen von der
Nacht, als er auf seinem Weg zu Fuchs’ Schenke, wo er sich mit
Zip treffen wollte, ein beysibisches Starrauge getötet hatte; in
dieser Nacht hatte er mehrere Krüge Bier geleert, und zwar
schnell. Doch selbst seine aufgekratzte Stimmung und das Bier hatten
nicht dafür gesorgt, daß er sich von Zip hatte
überzeugen lassen, sich der Volksfront zur Befreiung Freistatts
von den Starraugen anzuschließen. Es hatte schon des Todes von
Mondblume durch die Beysiber bedurft, Hanses Entscheidung und sein
ganzes weiteres Leben zu ändern. Eine weitere Ausnahme in seiner
Enthaltsamkeit hatte er gemacht, als er Tempus aus den Händen
des monströsen Vivisezierers Kurd gerettet hatte. Nach dieser
grauenhaften Nacht hatte sich Hanse eine Woche oder noch
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