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Diebe

Diebe

Titel: Diebe
Autoren: Will Gatti
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Ring noch mal in die Höhe, holt eine kleine Lupe hervor, klemmt sie sich vors Auge und schaut sich den Edelstein genauer an. Kurz darauf sagt sie: »Ich bring ihn an einen sicheren Ort, okay?« Die Frage ist eigentlich nicht ernst gemeint; Fay schafft die Beute der beiden immer in ein Versteck. »Baz, hol Gläser und Wein. Wir begießen das zusammen, bloß wir drei.«
    »Wie in alten Zeiten«, sagt Demi.
    An der Tür dreht sich Fay noch einmal um und lächelt. »Sind jetzt neue Zeiten, Demi. Das Teil hier ist meine Altersversorgung.«
    »Bloß deine, Fay? Was ist mit mir und Baz – wie sieht’s mit unsrer Altersversorgung aus?«
    Fay ist unbeeindruckt. »Du bist noch zu jung, um ans Alter zu denken.« Sie lacht, dann sagt sie: »Wir teilen doch eh immer alles – stimmt’s, Baz?«
    »Sowieso, Fay.«
    Irgendwann einmal, als Baz noch klein war und Fay ihr und Demi beibrachte, wie man Leute bestiehlt, stibitzte Baz Geld aus der Hosentasche eines Mannes, der bei ihnen zu Besuch war. Als sie die Beute dann vorzeigte, schlug Fay sie so heftig, dass sie blaue Flecken im Gesicht hatte. »Hier bei uns wird nicht geklaut! Niemals! Warum? Wenn der merkt, dass sein Geld weg ist, kommt er zurück – und wer kriegt dann die Schuld? Wer?!« Und sie schlug noch einmal zu. Demi hockte ganz still und stumm in der Ecke und hoffte, dass der Sturm an ihm vorüberziehen würde.
    »Der kommt dann zu mir«, tobte Fay, »und gibt mir die Schuld! Und dann macht er mich fertig! Willst du das?«
    »Nein.«
    Fay nahm das Geld, das Baz gestohlen hatte, an sich, aber Baz kann sich nicht erinnern, dass sie es dem Mann je zurückgegeben hätte. Das ist jetzt schon lange her, es war, noch bevor sie ins Barrio umgezogen sind, doch Baz hat es nie vergessen. Inzwischen rückt Fay so gut wie kein Geld mehr heraus. Sie sagt andauernd, sie muss sparen.
    Kaum ist Fay draußen, fragt Demi: »Weißt du, wo sie ihre Sachen versteckt?«
    Baz ist entsetzt. »Fay bringt jeden um, der das weiß!«
    »Ich hab Augen im Kopf.«
    »Sag bloß nix! Hör zu, Demi. Behalt’s für dich – hast doch mitgekriegt, was mit Paquetito passiert ist.«
    Demi greift nach der Flasche und schenkt sich einen Schluck von dem gelblichen Wein ein. »Musst mich nicht mit diesem Baby vergleichen. Ich sag dir mal, was ich weiß, Baz, weil – was ist, wenn was passiert ...? Ist alles nicht mehr so einfach. Kriegst du doch auch mit, oder? Die Schattenmänner schleichen dauernd im Barrio rum und ham überall ihre Finger drin. Mit Fay isses auch nicht mehr so einfach. Vielleicht sind wir mal irgendwann auf uns allein gestellt, vielleicht auch bloß du ... Also pass auf, Fay hat da so’n Plätzchen, unten im Keller ...«
    »Da will ich ganz bestimmt nicht hin.«
    Demi geht nicht darauf ein. »Ich bin ihr mal hinterhergeschlichen, Baz. Wahrscheinlich hatte sie zu viel getrunken, sie ist nämlich ganz schön getorkelt und hat vor sich hin geplappert. Trotzdem, andauernd hat sie sich umgeguckt, wie wenn sie damit rechnet, dass ihr einer von hinten kommt.«
    »Ja, du.«
    »Genau.« Demi lächelt nicht, Baz allerdings auch nicht. »Dann hab ich gesehn, wie sie ’n Ziegelstein aus der alten Mauer nimmt und ’ne Blechbüchse vorholt. Da warn ihre ganzen Wertsachen drin. Und die fischt sie einen nach dem andern raus und guckt sie genauso an wie vorhin den Ring – als wär sie richtig verliebt in das Zeug. So guckt sie sonst nie was an, nicht mal mich oder dich, Baz. Dabei ham wir ihr diese Sachen ja gebracht.« Er lacht, als wäre ihm das egal. »Ich hab immer gedacht, in ’ner Familie wird alles geteilt. Jetzt denk ich manchmal, das Einzige, was hier geteilt wird, ist der Ärger.«
    »Sei still! Fay wird stinksauer, wenn sie dich so reden hört!« Solche Gespräche machen Baz Angst. Mitunter ist es besser, sich bedeckt zu halten, sich seine eigenen Gedanken zu machen und seine Geheimnisse zu haben. Baz vermutet, dass jeder – auch Fay und Demi – so ein Geheimnis hat. Manche Geheimnisse plaudert man lieber nicht aus, auch nicht in der Familie, vor allem nicht, wenn man es mit jemand wie Fay zu tun hat. Das jedenfalls ist ihre Ansicht.
    Demi wirft ihr einen schrägen Blick zu. »Wir müssn langsam auf uns selber aufpassen, Baz. Fay ist gut zu uns, aber alles kann sich ändern.«
    »Was kann sich alles ändern, Demi?«, fragt Fay, die gerade zur Tür hereinkommt. Baz hat das Gefühl, Fay kann jedes kleinste Geflüster im Barrio hören, sobald es sich um sie dreht. Sie setzt sich zu ihnen,
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