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Die zweite Instanz

Die zweite Instanz

Titel: Die zweite Instanz
Autoren: Walter Schlegel
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schon nicht mehr in Worte zusammenfassen. Das liegt weniger daran, dass die entsprechenden Fälle nicht geeignet dafür wären, sie unterhaltsam und kurzweilig zu präsentieren, sondern vielmehr daran, dass die Originaltexte aus diesen Urteilen selbst so kreativ und heiter sind, dass jede Zusammenfassung dieser Texte den intelligenten und zugleich originellen Wortwitz einfach nur zerstören würden. Ein solches Urteil ist vor dem Landgericht Mannheim unter dem Aktenzeichen (12) 4 NS 48/96 gefällt wurden. Grundsätzlich ein eher unauffälliges Urteil, bis es jedoch in der schriftlichen Urteilsbegründung der Richter an den Punkt gelangte, in dem auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen eingegangen wurde. Eines Zeugen aus der benachbarten Pfalz, jener Gegend also, die man im hessischen Mannheim ohnehin mit kritischen Augen wahrnahm. Aber lesen Sie selbst, liebe Leser, hier der entsprechende Auszug aus dem besagten Urteil im Originaltext:
     
     
    „ (...) Dies sind jedoch nicht die einzigen Bedenken, die man gegen den Zeugen V haben muß. Er gab sich zwar betont zurückhaltend, schien bei jeder Frage sorgfältig seine Antwort zu überlegen und vermied es geradezu betont, Belastungstendenzen gegen den Angeklagten hervortreten zu lassen, indem er in nebensächlichen Einzelheiten Konzilianz ja geradezu Elastizität demonstrierte, im entscheidenden Punkt, der - für ihn vorteilhaften - angeblichen mündlichen Genehmigung des beantragten Urlaubs aber stur blieb wie ein Panzer. Man darf sich hier aber nicht täuschen lassen. Es handelt sich hier um eine Erscheinung, die speziell für den vorderpfälzischen Raum typisch und häufig ist, allerdings bedarf es spezieller landes- und volkskundlicher Erfahrung, um das zu erkennen - Stammesfremde vermögen das zumeist nur, wenn sie seit längerem in unserer Region heimisch sind. Es sind Menschen von, wie man meinen könnte, heiterer Gemütsart und jovialen Umgangsformen, dabei jedoch mit einer geradezu extremen Antriebsarmut, deren chronischer Unfleiß sich naturgemäß erschwerend auf ihr berufliches Fortkommen auswirkt. Da sie jedoch auf ein gewisses träges Wohlleben nicht verzichten können - sie müßten ja dann hart arbeiten -, versuchen sie sich „durchzuwursteln“ und bei jeder Gelegenheit durch irgendwelche Tricks Pekuniäres für sich herauszuschlagen. Wehe jedoch, wenn man ihnen dann etwas streitig machen will! Dann tun sie alles, um das einmal Erlangte nicht wieder herausgeben zu müssen, und scheuen auch nicht davor zurück, notfalls jemanden „in die Pfanne zu hauen“, und dies mit dem freundlichsten Gesicht. Es spricht einiges dafür, daß auch der Zeuge V mit dieser Lebenseinstellung bisher „über die Runden gekommen ist“. Mit Sicherheit hat er nur zeitweise richtig gearbeitet. Angeblich will er nach dem Hinauswurf durch den Angekl. weitere Arbeitsstellen innegehabt haben, war jedoch auf Nachfrage nicht in der Lage, auch nur eine zu nennen!
     
     
    Und wenn man sieht, daß der Zeuge schon jetzt im Alter von noch nicht einmal 50 Jahren ernsthaft seine Frühberentung ansteuert, dann bestätigt dies nur den gehabten Eindruck. Daß er auch den Angekl. angelogen hat, als er ihm weiszumachen versuchte, er brauche den begehrten Urlaub, weil seine Erbtante aus Amerika komme, bedarf keiner näheren Erörterung - auf nähere Nachfrage konnte er nicht einmal angeben, wo diese angebliche Tante in Amerika wohnt. Auf einen solchen Zeugen, noch dazu als einzigem Beweismittel, kann verständlicherweise eine Verurteilung nicht aufgebaut werden. (... ) ".
     
    So der Auszug aus dem Originalurteil - Wohlgemerkt von einem promovierten Juristen, der als leitender Richter am Landgericht Mannheim Recht spricht. Zum Glück sind Richter auch nur Menschen mit all den Eigenschaften, die wir ,Normalsterblichen Nicht-Juristen‘ ebenso haben. Ist es nicht schön zu sehen, dass Vorurteile auch bei Juristen hin und wieder durchscheinen? Auch wenn es sich hierbei nicht nur mehr um ein ,scheinen‘, sondern schon um ein ,intensives Strahlen‘ handeln dürfte...
     
     
    ***
     
    Richter : „Herr Angeklagter, Sie sind beschuldigt, Ihren Lebensgefährten unter lauten Beschimpfungen aus dem Haus bis hin in den Wald getrieben zu haben, wo Sie ihn dann verprügelt haben sollen. Sind Sie damit nicht etwas zu weit gegangen?“.
     
    Angeklagter : „Ja, Sie haben Recht. Ich hätte es schon auf der Wiese vorm Haus tun sollen. Aber er wollte ja nicht stehen
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