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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition)
Autoren: Georg Klein
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inzwischen darf ich anders denken. Spispi und Hoho sind, obschon sie vermutlich auf keinem Planeten einen Schönheitspreis gewännen, auf ihre Weise wohlgeratene Teufelskerle. Auch wenn ihr Durcheinanderbrabbeln mich anfangs an ein altes Radio erinnert hat, dessen Empfangsteil zwei nahe beieinanderliegende Sender nicht sauber separiert, jeder von unserer Zunft müsste stolz darauf sein, sie Schüler, Sohn oder Enkelkind zu nennen.
    Da ich mich noch nicht nach Elussa und Alide zu fragen traue, muss ich mir aus dem, was meine Gastgeber und Pfleger untereinander besprechen, zusammenreimen, was mit unseren Kosmonautinnen geschehen sein könnte. Sicher scheint mir: Beide sind wohlbehalten angekommen. Der Zeitpunkt ihres Eintreffens ist jedoch mit einem schlimmen Wetterschlag zusammengefallen, den die Kolonisten Kaltsturm nennen. Als man mich auf einer primitiven Karre von meiner Ankunftsstelle in die Siedlung schaffte, habe ich, schlotternd und schwer benommen, verschneites oder von Hagelkörnern dicht bedecktes Gelände vorüberziehen sehen. Seitdem halten mich meine Retter vor den anderen in der Werkstatt Twitwis verborgen. Der Grund für diese sorgfältig überwachte Absonderung ist mir noch dunkel. Offenbar hängt er mit etwas zusammen, was in den Gesprächen, die ich belausche, Mockmock heißt. Ich glaubte zunächst, der Name müsse zu einer wichtigen Person gehören,denn alle, die ich bisher kennenlernen durfte, rufen sich mit Namen aus zwei gleichlautenden Silben. Inzwischen aber denke ich, dass Mockmock etwas bezeichnet, das über einen einzelnen Körper hinausgeht, obwohl es zugleich dingliche Qualität, also auch eine fest umrissene Gestalt besitzt.
    Mit den gekrümmten Fingern beider Hände habe ich meine Wohltäter vor Brust oder Bauch ins Leere tasten sehen, wenn sie Mockmock sagten, als schwebte dort ein unsichtbarer Ball. Und wenn mich mein Gespür nicht trügt, schwingt dann besorgte Dringlichkeit in ihren Stimmen. Mit diesem Mockmock ist offenbar unverzichtbarer Nutzen, aber zugleich Gefahr, ein Segen wie ein Fluch verbunden. Vorerst heißt es weiter die Ohren spitzen. Das Russisch, das man hier inzwischen spricht, ist klar und nahezu korrekt, leider ein wenig karg. Nur Mirmir schlüpft, wenn sie mich zu einer Antwort ermuntern will, gelegentlich ein altmodisch erlesenes Wort, eine poetisch blumige Formulierung in ihre Fragen. Verzeih mir meine Eitelkeit: Aber ich glaube, daran nicht ganz unschuldig zu sein!
    Wie froh ich selber bin, dass mir Elussas grammatisches Beharren die Zunge und das Denken gelockert hat. Das wird von Nutzen sein, sobald ich wieder ganz bei Kräften bin. Noch fehlt es mir an Seelenstärke, um dir zum Beispiel die Werkstatt von Twitwi so zu beschreiben, wie es dieser tüchtigen jungen Frau und ihrer Arbeit gerechterweise zukommt. An meinem dritten hiesigen Morgen wollten mich meine Beine erstmals wieder tragen, und ich begann mich vorsichtig, Schrittchen für Schrittchen, an den Regalen entlangzutasten, auf denen die wackere Kollegin ihr Werkzeug, ihr Material und ihre Artefakte stapelt. Schon an der zweiten Wand wurden mir die stoppeligen Wangen nass. Das Augenwasser lief mir in die Mundwinkel hinunter, und meine alte Zunge schmeckte zum allerersten Mal, wie ungenau, wie einfältigpauschal es ist, dass wir die Tränen salzig nennen. Zusammen haben du und ich das letzte Mal geweint, als wir unser Labor bei Novosibirsk verlassen mussten. Wir weinten um unsere Maschinchen, von denen wir nicht wenige bis in das Adergeflecht der Schaltungen entworfen hatten. Kein einziges durften wir in die Stadt mitnehmen, die damals noch nicht Germania hieß.
    Vielleicht fiel dir der Abschied ein Quäntchen leichter, weil du ein Quäntchen jünger bist als ich. Für die, die unsere Arbeitsstätte übernahmen, gehörten wir zum alten Eisen. Der damalige Augenschein gab ihnen recht. Wie schmerzlich bescheiden, ja lachhaft kümmerlich unsere Anfänge im Westen waren! Aber sie kommen mir unfassbar luxuriös, historisch hochbegünstigt vor, wenn ich sie mit dem vergleiche, was der kühnen und zähen Bastlerin in ihrer hiesigen Werkstatt zu Gebote steht. Twitwi ist rührend stolz auf das von ihr Gebaute. Sie hat mir ihren bislang besten Apparat gezeigt. Er trägt den hübschen Namen Notfernmelder. Allein aus heller Anschauung hat sie sich sogar eine eigene Theorie zu seinem Funktionieren zusammenspekuliert. In schöner Kollegialität hob sie hervor, wie sehr ihr die Einfälle ihrer Gehilfen geholfen
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