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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition)
Autoren: Georg Klein
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Männern unser Mützchen vom Kopf geschlagen. Gewiss bloß, um sich mit diesem kleinen groben Akt eine bescheidene Erleichterung zu verschaffen. Ich spürte jeden Luftzug an der so lang bei Tag und Nacht bedeckt gewesenen Stelle. Die borstigen Haare, die wir uns stets wechselseitig beschnitten haben, damit sie sich nicht durch das Gewebe unserer Kappen bohrten, reagierten elektrostatisch und übertrugen fein portionierte Ladungswechsel als ein prickelndes Knistern in die Rinde meines Denkens. Ich bildete mir ein, empfangen zu können, was vor dem Haus und in den beiden Höfen beratschlagt wurde. Meine ungeschützten Antennen fingen auf, dass Hu mit Juri über mich, den man für dich hielt, sprach. Die beiden stritten. Vergeblich versuchte ich zu begreifen, worum es ging, worin die beiden besten Kräfte des Don sich nun nicht einig waren. Schließlich verstand ich, dass Frau Doktor Hu gleich zu mir kommen würde, um mich etwas zu fragen. Sie kam. Sie trat dicht neben mich und wollte wissen, wie sich die Tür des Wasserturms öffnen lasse.
    Zu den ältesten Ahnungen, die wir uns teilen, gehört die Furcht, dass uns die anderen, die mit den glatten, lückenlos behaarten Hinterköpfen, martern könnten. Mit verdächtiger Lustigkeit hast du mir, als du zum ersten Mal aus der Kirche zurückkamst, von der dortigen Vernehmung berichtet. Man hatte dir nicht allzu wehgetan. Allein deine Ohren wirkten doch arg gerötet. Als du im Scherz an der rechten Muschel drehtest, um mir zu zeigen, wie dir Frau Doktor Hu die Dringlichkeit ihrer Neugier verdeutlicht hatte, fühlte ich ein scharfes Ziehen, fast ein Brennen in der Tiefe meines rechten Gehörgangs. Ich spürte diesen Schmerz erneut, als die Ärztin am Weihnachtsabend hinter den Stuhl trat, an den ich übertrieben stramm gefesselt war, und ihre Frage wiederholte. Sie sagte, Juri glaube sich zu erinnern,ich hätte damals rechts oben an den Rahmen gegriffen, bevor er mit mir durch die aufgestoßene Tür des Turms getreten sei. Dies war der letzte Satz, in dem sie dich und mich in eins warf.
    Sie schwieg. Aber ich hörte ihre Atemzüge schneller und schärfer werden. Zwei- oder dreimal strich ihr die Luft volltönend, fast wie ein gewolltes Pfeifen über die Lippen. Dann spürte ich ihre Finger auf meinem Hinterkopf. Bestimmt hast du ihr Tasten ähnlich zwiespältig empfunden, um mir dann beides, Angst und Kitzel, bei deiner Heimkehr zu verschweigen. Es dauerte, bis Frau Doktor Hu den Unterschied bemerkte. Er ist nur klein. Andererseits ist er, wenn man ihn unter dem Blickwinkel einer bestimmten Logik sieht, der denkbar größte. Alidchen, die so schlecht rechnet, hätte die Differenz gewiss auf den ersten Blick wahrgenommen, deren Eigenart begriffen und vielleicht sogar in Worte fassen können: Während sich bei dir die feinen Rillen und die groben Furchen im Sinn der Uhr spiralig aus der dunklen, nahezu schwarzen Mittelwarze nach außen drehen, ist meiner Beule das gleiche Muster gegensinnig eingeprägt.
    Ängstlich zog ich den Nacken ein. Ich rechnete mit Schlimmerem als einem Ohrverdrehen. Aber Frau Doktor Hu trat wieder neben mich. Sie lehnte sich an die Kante des Tischs, rutschte ein Stück auf ihn hinauf. Ihr weißer Kittel klaffte ein wenig auseinander, gab eine schön geformte Wade und ein schmales Knie frei. Hu meinte ruhig, fast sanft, sie gehe davon aus, dass du dich – Wie weit seien wir eigentlich nach Jahren auseinander? – im Wasserturm aufhalten würdest. Ein schlichtes Nicken würde ihr genügen. Und ich – verzeih mir, großer Bruder! – nickte.
     
    Du hast genickt. Na, und? Himmel, ich weiß, wie drollig skrupulös du sein kannst. Schmink dir den kindischen Kummer, das kleinlich schlechte Gewissen, schmink dir das rührselige Armer-Bruder-Getue sofort ab. Mir fiele nie im Leben ein, dir vorzuwerfen, dass du meinen Aufenthaltsort an Hu verraten hast. Vermutlich hat dein eilfertiges Nicken verhindert, dass Juri unserem lieben Turm mit plumper Gewalt, mit irgendeinem schnell improvisierten Rammbock oder gar mit Sprengstoff zu Leibe rückte. Nach deinem stummen Eingeständnis glaubte man mich dort gefangen und stellte wahrscheinlich nur eine Wache an die Tür.
    Während du Hu noch ein bisschen klüger machtest, war ich, hinter der Eisentür des Turms, mit Besen, Handfeger und Kehrschaufel zugange. Denn zwischen den Wänden aus Kamtschatka-Schiefer hatte der Transfer unserer Kosmonautinnen zu einem merkwürdigen Tausch geführt. Auch wenn du es, weil du seit
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