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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition)
Autoren: Georg Klein
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uns noch am selben Nachmittag an die Arbeit machten.
    Wir wussten damals gerade mal, dass das Kunstgemäuer die Einbringung belebter Substanz, bereits ein Topf Geranien reichte aus, mit einer Steigerung seiner rätselhaftenAktivität belohnte. Ich hatte die naheliegende Idee, ein starkes Magnetfeld könnte beobachtbare, messbare Veränderungen zeigen. Ich bin nicht kalt, aber ich war nie so leicht wie du zu Mitgefühlen zu verlocken. Nie hätte ich vorhergesehen, dass mir ein totes Kuscheltier, ein altes Meerschweinchen mit abgekauten Backenzähnen, leidtun könnte.
    Das erste Zucken überraschte uns noch nicht. Als sich jedoch die Gelenke der vorderen Läufe in die verkehrte Richtung bogen, hast du den Stromfluss sofort unterbrochen. Aber das Feld, das unsere Instrumente maßen, sackte nicht zusammen, sondern wechselte in einer langsamen, grauenhaft ein- und ausatmenden Weise Richtung und Stärke, und schließlich schnappten dem armen, gottverlassenen Tier die Lider auseinander. Natürlich hat uns der Kadaver nicht angeschaut. Ein vorwurfsvoller Blick wäre sogar erträglicher gewesen als das, was in der flachen Kupferschüssel, die das Kerlchen barg, dann noch geschah. Der weißbefellte Körper erschlaffte, tat keinen weiteren Mucks, aber aus jedem seiner dunklen, längst todestrüben Augen quoll ein durchsichtig klarer, rot schimmernder Tropfen.
    An diese beiden wässrig rötlichen Kugeln musste ich denken, während ich mich mühte, eine große Fluse von den vorderen Kühlrippen des Funkgeräts zu saugen. Ich hatte die rechte Hand, deren Fingerspitzen die Schlauchverlängerung führten, maximal abgewinkelt, um die Düse vor das Gespinst zu kriegen. Es wurde angesogen, zog sich in die Länge, pappte aber mit seinem anderen Ende an den Lamellen fest. Das klebrig-elastische Gewebe erinnerte mich an die hauchfein gesponnenen Nester, in die manche Insekten oder Spinnentiere ihre Eier legen und die dann dem geschlüpften Nachwuchs noch eine Weile Schutz und Nahrung geben. Ich bin mir sogar sicher, dass ich mich zuletzt noch das selten gewordene deutsche Wort «Kinderstube»murmeln hörte und eben überlegen wollte, woher ich es wohl kannte, als mir mit einem grellorangen Blitz der Zopf aus Denken und Wahrnehmung zerriss.
    Vor Urzeiten, im Morgenrosa unserer Arbeit, als wir geborgen in einer streng geheimen Mannschaft als Jüngste mittun durften, haben unsere Ärzte spekulativ erwogen, welche Schmerzen unsere Kosmonauten schlimmstenfalls erleiden könnten. Jetzt kann ich dir aus frischem Erleben sagen, dass die Reise für einen mürben, steifen Leib alles andere als ein Zuckerlecken ist. Am ärgsten setzt mir noch immer der Nachhall der Kälte zu. Sie ist mir unterwegs, genau wie die Redewendung sagt, bis in die Knochen eingedrungen, bis in das Mark, das die Röte unseres Lebenssafts erzeugt. Jetzt erst, himmelhoch über Germania und Bajkonur, habe ich verstanden, dass es eine Höllenkälte gibt. Die Einheimischen geben sich redlich Mühe, mir aus dem Nachweh der Passage herauszuhelfen. Mehr als zwei Dutzend Mal hat man mich schon von Kopf bis Fuß mit einer warmen Paste eingestrichen, und nach und nach hat deren wohltätige Wirkung die spröden Muskeln wieder geschmeidiger gemacht.
    Das Atmen hingegen, das unseren Medizinern dereinst das größte Kopfzerbrechen machte, geht unerwartet leicht vonstatten. Was aus dem Inneren des Planeten quillt, fühlt sich zwar anfangs scharf am Gaumen und in der Kehle an, auch in den Bronchien sticht es ein bisschen. Aber schon bald verkehrt sich dieses Empfinden in sein Gegenteil. Die Lungen scheinen sich erquickt zu weiten, und eine seltsame, fast perlende Beschwingtheit steigt einem aus der Brust ins Hirn. Mich macht die Luft gefährlich redelustig. In meinem Schädel rattern die Sätze wie die Rädchen in alten Rechenautomaten. Noch zwinge ich mich zum Schweigen und antworte allein mit Kopfschütteln und Nicken oder mit einem wortfern heiseren Krächzen auf die Fragen, die mir die blitzgescheiteTwitwi, die schlau zurückhaltende Mirmir und die beiden Gehilfen Twitwis stellen.
    Wie schade, dass du Hoho und Spispi noch nicht kennenlernen kannst. Zunächst erschrak ich tief über die kümmerliche Gestalt und das kuriose Gebaren der beiden. Eine unserer ältesten Sorgen schien mir schlagend exempelhaft bestätigt: Die Gründerväter unseres Projekts, die tollkühnen sowjetischen Ingenieure und Gelehrten, hätten die Gefahr der begrenzten Paarungsmöglichkeiten unterschätzt. Aber
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