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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin
Autoren: Brown Sandra
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walten zu lassen. Gut, es gab einen Makel in ihrer Laufbahn, aber den konnte man verzeihen, denn schließlich war sie bloß eine Frau.
    Was der Vorstand glaubte und was ihn zu seiner Entscheidung bewogen hatte, war Kendall gleichgültig. In den acht Monaten, die sie inzwischen in Prosper lebte, hatte sie ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Sie hatte schwer geschuftet, um sich die Anerkennung ihrer Standesgenossen und der Öffentlichkeit zu verdienen. Ihre Gegner hüllten sich in beschämtes Schweigen.
    Sogar der Herausgeber der Zeitung am Ort, der nach Bekanntwerden ihrer Ernennung in einem Leitartikel gefragt hatte, ob eine Frau wohl einen so schwierigen Job bewältigen könne, hatte seine Meinung gründlich geändert.
    Dieser Kavalier tauchte jetzt hinter ihr auf, schlang seine Arme um ihre Taille und küßte sie in den Nacken. »Richter, Sie haben lang genug die hübscheste Frau auf der ganzen Party in Beschlag genommen.«
    Fargo lachte. »Da spricht ein wahrer Bräutigam.«
    Â»Danke, daß du mich gerettet hast«, seufzte Kendall, als Matt mit ihr davonwalzte. Sie ließ die Wange an den Aufschlag seiner Smokingjacke sinken und schloß die Augen. »Schlimm genug, daß ich mich im Gericht mit diesem rassistischen, rückständigen Robenheini rumschlagen muß. Es geht weit über
meine Pflichten als Anwältin und Gastgeberin hinaus, auf meiner Hochzeit mit ihm zu tanzen.«
    Â»Sei nett«, tadelte er sie.
    Â»Das war ich auch. Ehrlich, ich war so charmant, daß mir fast übel wurde.«
    Â»Der Richter kann eine echte Plage sein, aber er ist ein alter Freund von Dad.«
    Matt hatte recht. Außerdem würde sie Richter Fargo nicht die Genugtuung gönnen, sich von ihm ihre Hochzeit vermiesen zu lassen. Sie lächelte Matt an. »Ich liebe dich. Wie lange habe ich dir das schon nicht mehr gesagt?«
    Â»Eine Ewigkeit. Seit mindestens zehn Minuten.«
    Sie kuschelten sich zärtlich aneinander, als eine Stimme wie eine rostige Gießkanne sie auseinanderfahren ließ: »Also, ehrlich, das ist mal ’ne Fete!«
    Kendall drehte den Kopf und sah ihre Trauzeugin in den Armen des örtlichen Apothekers vorbeidonnern. Der verhuschte, schüchterne Mann schien gar nicht begreifen zu können, wie er in die Arme einer so lebhaften und üppig ausgestatteten Frau gelangt war.
    Â»Na, Ricki Sue«, rief Kendall ihr zu, »amüsierst du dich?«
    Â»Bin ich vielleicht ein Kind von Traurigkeit?«
    Ricki Sue Robbs massive Bienenkorbfrisur hüpfte im Takt der Musik auf und ab. Ihr schweißnasses Gesicht leuchtete über dem Dekollete ihres hellblauen Gewandes. Es war Kendall nicht leichtgefallen, ein Kleid für die Brautjungfern zu finden, das auch ihrer Freundin stand. Ricki Sues Gesicht war blaß und ungleichmäßig mit rostroten Sommerprossen gesprenkelt. Ihr Haar hatte die Farbe frisch gepreßten Karottensafts, aber statt die leuchtende Masse zu möglichst unauffälligen Frisuren zu disziplinieren, türmte Rickie Sue sie zu den ausgefeiltesten Kreationen auf.

    Weil sie unentwegt vergnügt schmunzelte, war die breite Lücke zwischen ihren Vorderzähnen ständig zu sehen. Auf ihren vollen Lippen glänzte feuerwehrroter Lippenstift – angesichts der Haarfarbe eine tollkühne Wahl.
    Mit einer Stimme, die es an Anmut mit einer Kavallerietrompete aufnehmen konnte, trötete sie: »Du hast mir zwar verraten, daß dein Zukünftiger recht hübsch aussieht, aber du hast nichts davon gesagt, daß er noch dazu stinkreich ist.«
    Kendall spürte, wie Matt schockiert erstarrte. Dabei wollte Ricki Sue ihn keineswegs beleidigen. Im Gegenteil, sie glaubte, ihm ein Kompliment zu machen. Aber in Prosper sprach man in feinen Kreisen nicht über Geld. Wenigstens nicht offen.
    Nachdem Ricki Sue und der benommene Apotheker außer Hörweite getanzt waren, meinte Kendall: »Es wäre nett von dir, wenn du sie einmal auffordern würdest, Matt.«
    Er verzog das Gesicht. »Ich habe Angst, sie könnte mich zu Tode treten.«
    Â»Matt, bitte.«
    Â»Tut mir leid.«
    Â»Wirklich? Beim Abendessen gestern hast du mir gegenüber nur zu deutlich gezeigt, daß du Ricki Sue vom ersten Moment an nicht leiden konntest. Ich hoffe nur, daß ihr das nicht aufgefallen ist – ich jedenfalls habe es gemerkt.«
    Â»Du hast sie mir ganz anders beschrieben.«
    Â»Ich habe
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