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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin
Autoren: Brown Sandra
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sich hoch, bis sie endlich die Straße erreichte, wo sie in der Hoffnung auf Hilfe dahinwankte.
    Sie war am Rande des Deliriums, als sich zwei Scheinwerfer durch den Regenschleier bohrten. Erleichterung und Erschöpfung überwältigten sie. Statt dem Auto entgegenzulaufen, sank sie auf dem Mittelstreifen der schmalen Landstraße zusammen und wartete darauf, daß das Auto vor ihr hielt.
    Ihre Retterin war eine schwatzhafte Frau unterwegs zu einer Mittwochabendpredigt. Sie setzte Kendall beim nächstbesten Haus ab und meldete den Unfall. Zu ihrem Erstaunen erfuhr Kendall später, daß sie nur eine Meile von der Unfallstelle entfernt gewesen war, als die Frau sie aufgelesen hatte. Ihr war es eher wie zehn vorgekommen.

    Ein Krankenwagen brachte sie und Kevin ins nächste Ortskrankenhaus, wo man sie gründlich untersuchte. Kevin war unverletzt. Sie hatte ihn gerade gestillt, als der Wagen über den Abhang geschossen war. Instinktiv hatte Kendall ihn an ihre Brust gepreßt und sich vorgebeugt, ehe der Schultergurt einrastete und sie zurückhielt. Ihr Körper hatte ihn geschützt.
    Zahllose Schnitte und Kratzer schmerzten sie zwar, waren aber harmlos. Die Glassplitter wurden ihr einzeln aus den Armen gezogen, ein unangenehmer und zeitaufwendiger Vorgang, der aber nicht der Rede wert war, wenn man bedachte, was ihr alles hätte zustoßen können. Ihre Wunden wurden desinfiziert; das angebotene Schmerzmittel lehnte sie ab, weil sie ihr Kind noch stillte.
    Außerdem mußte sie sich jetzt, nachdem sie gerettet und ihre Wunden versorgt waren, einen Fluchtplan zurechtlegen. Beruhigungsmittel würden sie am Nachdenken hindern. Sie brauchte einen klaren Kopf, um ihr erneutes Verschwinden zu planen.
    Â»Ist es okay, wenn der Hilfssheriff jetzt reinkommt?«
    Â»Sheriff?« wiederholte Kendall. Die Frage der Krankenschwester riß sie aus ihren Gedanken.
    Â»Er möchte schon mit Ihnen reden, seit man Sie hergebracht hat, um den offiziellen Kram mit Ihnen zu klären.«
    Â»Ach so. Natürlich, soll ruhig reinkommen!«
    Kevin hatte sich sattgetrunken und schlief friedlich. Kendall zog das Krankenhaushemd zu, das man ihr gegeben hatte, nachdem man ihr die nassen, schmutzigen, blutigen Sachen ausgezogen und sie eine heiße Dusche genommen hatte.
    Auf ein Zeichen der Krankenschwester hin trat der örtliche Gesetzeshüter mit einem Begrüßungsnicken durch den Vorhang. »Wie geht’s Ihnen, Madam? Alles okay?« Er nahm höflich die Mütze ab und sah sie ernst an.

    Â»Es ist alles in Ordnung, glaube ich.« Sie räusperte sich und versuchte überzeugender zu klingen. »Wir sind wohlauf.«
    Â»Ich schätze, Sie haben ganz schön Glück gehabt, am Leben und heil und ganz zu sein, Madam.«
    Â»Da gebe ich Ihnen recht.«
    Â»Der Unfallhergang ist völlig klar, mit dem umgestürzten Baum mitten auf der Straße und so weiter. Der Blitz hat ihn erwischt und genau über der Wurzel gefällt. Hier gießt’s schon seit Tagen, der Regen hört wohl nie mehr auf. Alles ist überflutet. Wundert mich nicht, daß der Bingham Creek Ihren Wagen gleich fortgerissen hat.«
    Von dem verbeulten Auto waren es nicht mal mehr als zehn Meter bis zum Fluß gewesen. Nachdem sie aus dem Wrack gekrochen war, hatte sie sich in den Schlamm gehockt und den Fluß ängstlich und fasziniert zugleich angestarrt. Das schlammige Wasser reichte hoch über die Uferlinie und riß Treibgut aller Art mit sich. Es zerrte an den Bäumen, die das normalerweise liebliche Ufer säumten.
    Sie schauderte bei dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn ihr Wagen sofort nach dem Aufprall auf den Baum noch ein paar Meter weiter geschlittert wäre. Entsetzt mußte sie mitansehen, wie er nach einer Weile abwärts rutschte und von dem tosenden Fluß verschlungen wurde.
    Er schwamm kurz auf den Wellen und trieb schaukelnd in die Mitte der reißenden Fluten, ehe er plötzlich nach vorn abtauchte. Sekunden später war nur noch eine weißschäumende Oberfläche zu erblicken. Abgesehen von den Kerben auf dem Stamm der umgestürzten Fichte und den tiefen, parallelen Furchen, die die Reifen gepflügt hatten, hatte der Unfall keine Spuren in der Landschaft hinterlassen.
    Â»Ein Wunder, daß Sie’s alle noch rausgeschafft haben und keiner ertrunken ist«, sagte der Deputy soeben.

    Â»Nicht alle«, korrigierte ihn Kendall mit
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