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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Autoren: Ralf Isau
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Haus.
    Nach einer Weile verstummten Shúrias Schreie, und die Ganesin erschien abermals in der Tür.
    Taramis sprang von der Bank auf. »Ist es …? Hat sie …? Ich habe gar kein Kindergeschrei gehört.«
    Siath lächelte. Sie wirkte erschöpft. »Shúria geht es den Umständen entsprechend gut. Die Wehen haben nachgelassen. Sie möchte dich sprechen, ehe es wieder losgeht.«
    Wortlos lief er an ihr vorbei. Shúria und Ari verdankten der ehemaligen Hetäre, die sich selbst als Feuermädchen bezeichnete, gleich mehrfach ihr Leben. Vor nicht einmal neun Monaten hatte sie mit ihrem Körper in einem Opferofen die Flammen von den beiden ferngehalten.
    Taramis stürzte ins Schlafzimmer. Durch das Fenster auf der Meerseite schimmerten die Lichter ferner Inseln und Sterne. Davor stand das große Bett, in dem Shúria unter einem schneeweißen Laken auf sauber ausgekochten Tüchern lag. Ihre Augen waren geschlossen. Lehi tupfte ihr gerade den Schweiß von der Stirn. Als sie den nervösen Vater bemerkte, lächelte sie ihm aufmunternd zu. Sie war noch kleiner als ihr Ehemann, ansonsten überwogen bei ihnen jedoch die Gemeinsamkeiten. Ihre Gesichter waren ungefähr gleich faltig, Jagurs Frau hatte ihr buttergelbes Haar zu einem ganz ähnlichen Zopf geflochten wie er, und ihr Vollbart war mindestens so dicht wie der seine. Nur hatte sie ihn auf eine Länge gestutzt, die ihr bei der Geburtshilfe nicht hinderlich war.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Taramis.
    »Sie ist eine Kämpferin«, antwortete Lehi. »Aber das wusstest du ja schon vorher.«
    Er nickte. Wie Shúria sich in Komana gegen lüsterne Freier gewehrt und ihren Sohn vor tödlichen Gefahren beschützt hatte, war unglaublich. Ihre Standhaftigkeit hatte das Band der Liebe zwischen Taramis und ihr noch fester geschmiedet.
    Sie öffnete die Augen und lächelte erschöpft. »Warum fragst du sie und nicht mich?«
    Er ließ sich neben ihr auf der Bettkante nieder und nahm ihre Hand. »Es sah aus, als schliefest du.«
    »Schwindler.«
    »Du bist so tapfer, Schatz. Ich bin unglaublich stolz auf dich.«
    Ihre Miene wurde ernst.
    »Was beschäftigt dich, Shúria?«
    »Ich muss dir noch etwas sagen, Taramis.«
    Noch? Warum hatte sie noch gesagt? »Hat das nicht Zeit bis später? Bis …?«
    »Nein!«, unterbrach sie ihn barsch. »Ich möchte, dass du es jetzt weißt.«
    Er schluckte. »Wie du willst, Liebes.«
    Sie schloss die Augen, holte tief Luft und sah ihn wieder an. »Ich hatte einen Traum.«
    »War es einer von der Sorte, die du früher …?«
    »Ja«, fiel sie ihm abermals ins Wort. »Ich habe die Zukunft gesehen. Leider nur sehr undeutlich …« Ihr Blick wurde gläsern.
    Er streichelte mit dem Daumen ihren Handrücken. »Es scheint dich beunruhigt zu haben.«
    Sie sah ihn wieder an. »Unser Kind ist in großer Gefahr, Taramis.«
    »Ari?«
    »Nein, Aïschah.«
    Er räusperte sich. »Aïschah?«
    »Deine Tochter. Ich finde es passend, dass wir sie nach deiner Großmutter nennen. Du nicht?«
    »Ich bekomme ein Mädchen?«
    »Nein, ich bekomme es. Aber du bist der Vater.«
    Sie wirkte aufgelöst und reizbar, was Taramis nach all den Schmerzen der Wehen für allzu verständlich hielt. Übertrieben geduldig fragte er: »Schatz, was genau hast du gesehen?«
    »Jemand will uns etwas antun.«
    Er zuckte zusammen. »Wer?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Gaal?«
    »Gao hat mir nicht ohne Grund verraten, dass uns jemand nach dem Leben trachtet. Wir dürfen seine Warnung nicht auf die leichte Schulter nehmen, Taramis.«
    Er schloss die Augen und rang mit malenden Kiefern um Fassung. Du glaubst, mich besiegt zu haben, aber du bist ein Narr, hatte Gaal ihn vor dreizehn Jahren im Garten der Seelen verhöhnt, eine Drohung, die wie ein böses Omen klang. Ich komme wieder, Taramis, und es wird schrecklicher sein als zuvor. Wenige Augenblicke danach war der König von Dagonis ins Haus der Toten eingegangen.
    Und trotzdem war er zurückgekehrt – auf dem Weg der Unsterblichkeit.
    »Denkst du an Gulloths Fluch?«, fragte Shúria. Sie verzog das Gesicht. Offenbar setzten die Wehen wieder ein.
    »In meinem Kopf schwirrt so vieles herum«, antwortete er ausweichend und küsste sie auf die Stirn.
    Sie schrie unter Schmerzen auf.
    »Entschuldige bitte, Schatz, ich wollte nicht …«
    »Das warst nicht du «, keuchte sie kurzatmig, »sondern deine Tochter. Sag ihr gefälligst, dass sie endlich damit aufhören und herauskommen soll.«
    Die Wehen peinigten Shúria noch viele Stunden. Taramis, Jagur
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