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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Autoren: Ralf Isau
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schüttelte freudestrahlend die Hand des Weisen, ohne den er womöglich immer noch auf der Sklaveninsel Zin gefangen wäre. »Herzlich willkommen auf meiner Scholle.«
    »Gibt es einen Grund für deinen Argwohn?«, fragte Veridas.
    »Ja. Shúria hatte einen Traum. Sie glaubt, dass wir in Gefahr sind.«
    »Also hat sie doch etwas bei mir gelernt. Das freut mich …« Der Alte hielt inne, als abermals ein Schrei aus dem Haus drang. »Ist sie das?«
    »Ja. Sie bringt gerade unsere Tochter zur Welt.«
    »Woher weißt du, dass es ein Mädchen wird?«
    »Das hat sie auch gesehen.«
    »In dem Traum? Erstaunlich …« Veridas strich sich über den schütteren Vollbart. »Ich habe mich nämlich aus ähnlichem Grund auf den Weg nach Barnea gemacht.«
    »Wegen meiner Tochter?«
    »Unsinn! Weil die Bedrohung, von der das Buch Jaschar spricht, noch nicht abgewendet ist. Aber erst einmal sollte ich etwas trinken. Hast du einen kühlen Schluck für mich?«
    Taramis deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Wenn Jagur dir was übrig gelassen hat.«
    Veridas lachte auf. »Der Zwerg ist bei dir? Na, dann muss ich wohl verdursten.«
    Entsetzt starrte Taramis den alten Seher an. »Sie tun was?«
    »Sie sterben. Ohne erkennbaren Grund. Wie ein blühender Baum, der plötzlich umgehauen wird.«
    Jagur grunzte. »Klingt übel.« Seine Zunge tat sich schwer mit den Silben, obwohl es nur wenige waren.
    »Diese Männer und Frauen – sind das alles Rebellen gewesen?«
    »Ich kann nur für Komana sprechen«, antwortete Veridas. »Sämtliche Opfer gehörten dem Widerstand an, der sich gegen die dagonisische Besatzung verschworen hatte. Die meisten bekleideten im neuen Staat wichtige Ämter.«
    »Könnte es Mord gewesen sein? Vielleicht Gift?«
    »Das ist unwahrscheinlich. Manche trifft es auf Reisen oder an schwer zugänglichen Orten. Nachdem es begonnen hatte, hielten sich einige versteckt, doch auch das nützte ihnen nichts. Inzwischen sind fast hundert ehemalige Rebellen von einem Augenblick auf den anderen tot umgefallen.«
    »Und außerhalb von Komana? Wie sieht es da aus?«
    »Von den übrigen Inseln habe ich nur wenige Berichte. Sie passen in dasselbe Muster. Man könnte meinen, ein Todesengel habe die Feinde von Dagonis niedergestreckt.«
    Die Schreie aus dem Haus setzten wieder ein. Taramis zuckte unwillkürlich zusammen. Finster blickte er zum Horizont, wo es bereits dämmerte. »Gibt es Nachricht aus Jâr’en?«
    »Ich habe einen Boten zur Heiligen Insel geschickt. Rate mal, was er herausgefunden hat.«
    »Jemand tötet die Seelenbäume.«
    Veridas nickte. »Die Gärtner entdecken immer mehr Bäume, die durch äußere Einwirkung eingegangen sind. Manchmal stecken Pfeile darin. Einige wurden offenbar mit einer Lanze traktiert.«
    »Das kommt mir bekannt vor. Wird Gan Nephaschôth nicht bewacht?«
    »Natürlich. Doch der Frevler kennt sich im Garten wohl sehr gut aus.«
    Taramis spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg. Sein Magen fühlte sich an, als habe jemand einen Knoten hineingemacht. »Nicht unbedingt. Es genügt, sich vom Reif der Erkenntnis leiten zu lassen.«
    Unwirsch starrte Veridas in seinen halb geleerten Bierkrug. »Ich hatte befürchtet, dass du so etwas sagen würdest. Es ist ungeheuerlich! Seit Anbeginn der Zeit haben die Menschen die Seelenbäume geachtet.«
    »Weil niemand wusste, welcher Baum zu wem gehört. Das hat sich nun geändert. Und ich bin schuld daran.«
    »Mit Verlaub, Herr Taramis«, mischte sich Jagur in gespielt förmlichem Ton ein, »aber Ihr redet wie ein Narr. Nicht Ihr seid der Mörder. Es ist Gaal, der seine Gegner umbringt.«
    »Warum nur tröstet mich das nicht?«
    »Du hast eben ein zu gutes Herz«, antwortete der Kirrie in deutlich milderem Ton und rülpste. »Ich übrigens auch. Deshalb habe ich deinen Feuerstab unbeschadet anfassen können.«
    Taramis lief es eiskalt den Rücken hinab, als ihm die Konsequenzen des Gehörten bewusst wurden. »Gaal hasst niemanden so sehr wie mich. Er könnte mich jeden Augenblick töten. Oder Shúria oder Ari oder Aïschah.«
    »Wer ist Aïschah?«, wunderte sich Jagur.
    »Meine Tochter.«
    »Habe ich irgendwas verpasst?«
    Aus dem Haus tönte ein neuerlicher Schmerzensschrei.
    Ari wälzte sich auf der Bank unruhig herum.
    Taramis war schwindelig vor Sorge.
    »Möglicherweise hat Gaal mit dir und deinen Lieben noch etwas Besonderes vor«, gab Veridas zu bedenken.
    »Soll mich das etwa beruhigen?«
    »Es verschafft dir Zeit, um zu beenden, was du vor vielen
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