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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Autoren: Ralf Isau
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schlafende Gott erwachte.
    »Wer bist du?«, drang eine dunkle Stimme aus dem Schlund. Sie klang müde und doch so gewaltig wie Donnerschall.
    Malakh ließ vor Schreck das Henkelgefäß in den Krater fallen.
    Sein Vater fiel zur Erde nieder und presste die Stirn auf den Boden. »Mein Name ist Gaal, Herr der unendlichen Tiefen. Ich bin der König von Dagonis.«
    »Ihr habt ein Land nach mir benannt?«, staunte der Gott.
    »Es ist eher eine Insel«, erwiderte der Gefragte mit gequälter Miene. »Allerdings ist sie einzigartig und gefürchtet in der ganzen Welt …« Aus den Augenwinkeln sah er, wie sein Sohn bäuchlings vom Kraterrand wegkroch. Gaal zischte ihn an und schüttelte energisch den Kopf, was Malakh innehalten ließ.
    »Das hört sich an, als wäre dein Königreich ziemlich klein«, tönte es aus der Dunkelheit.
    »Nach der Großen Erweckung wird das Eure, mein Herr Dagon, von einem Ende der Aura bis zum anderen reichen, das verspreche ich Euch.« Gaal erhob sich, und während er weitersprach, bedeutete er auch dem Knaben, sich wieder hinzustellen. »Bislang leisten die Anbeter Gaos, die sich Kinder des Lichts nennen, erbitterten Widerstand. Sie vermögen die Luft der Inseln zu atmen, das Volk der Antische dagegen nur den Äther des Weltenozeans. Vor einigen Jahren fand ich jedoch einen Weg, uns beide Reiche zu erschließen. Er ist steinig gewesen, es gab schmachvolle Rückschläge und zwei schmerzliche Niederlagen, aber ich habe nie aufgegeben, wie Ihr seht.«
    »Ich kann nichts sehen. Dazu bedarf es eines weiteren Opfers.«
    »Auch daran habe ich gedacht, mein Herr. In dem Trankopfer, das mein Sohn Euch dargebracht hat, liegt der Schlüssel zu unbegrenzter Macht. Ich bitte Euch nur, es zu segnen und zu mehren, bis der Same Dagons über das ganze Feld der Welt ausgebracht ist.«
    »Es ist wirklich ein besonderer Trank, mein kluger Gaal. Ich verstehe, was du beabsichtigst, und es findet mein Wohlgefallen. Du sollst bekommen, wonach du verlangst. Mein schwarzer Nebel wird das Leichentuch für die Kinder Gaos sein. Jedoch …« Die Stimme aus dem Berg erstarb.
    »Mein Herr?«, fragte Gaal. Er fürchtete schon, Dagon sei wieder eingeschlafen.
    »Meine alte Kraft ist noch nicht wiederhergestellt«, hallte es abermals müde aus dem finsteren Schlund. »Mit deinem ersten Opfer hast du mich geweckt. Das zweite wird mir die Augen öffnen, und ich werde meine Macht nach deinem Wunsch lenken können. Bist du bereit, es mir aus freien Stücken zu geben?«
    Gaal spürte sein Herz wie ein wild um sich schlagendes Tier, das aus seiner Brust zu entkommen versuchte. »Das bin ich, mein Herr Dagon.«
    Malakhs Stachelkragen sträubte sich.
    »Was hast du?«, fragte ihn der König.
    »Wenn er uns ansieht, werden wir dann nicht geblendet?«, hauchte der junge Antisch.
    Gaal legte ihm die Hand auf die Schulter. »Aus Dagons Augen kommt kein Licht, mein Sohn. Sie verströmen Finsternis. «
    Der Knabe sah sich beklommen um. »Und woher nehmen wir das andere Opfer für die Große Erweckung, Vater?«
    Ein trauriges Lächeln umspielte Gaals Mund. »Es ist bereits hier, Malakh. Hättest du die Amphore nicht verloren, könntest du sein Spiegelbild darin sehen.«
    » Ich bin …?« Der Prinz riss erschrocken die Augen auf.
    »Ja, du bist die zweite Gabe«, erwiderte der König, und mit diesen Worten stieß er seinen Sohn in den Schlund.
    Schreiend stürzte der junge Antisch in die finstere Tiefe.
    »O Dagon, ich schenke dir die Frucht meiner Lenden«, murmelte Gaal mit bebender Stimme. »Lebendig fährt der Knabe zu dir in den Tartaros hinab, um dir, mein Gott, neues Leben zu geben.«
    »Und ich empfange ihn mit Wohlwollen«, antwortete es aus dem Berg. »Weil du mir dein eigen Fleisch und Blut nicht vorenthalten hast, will ich dich mehren wie die Staubkörnchen auf dem Gedogh.«
    Aufgewühlt blickte der König dem brüllenden Kind nach, das in immer tiefere Schatten fiel. Ehe er es ganz aus den Augen verlor, schoss plötzlich von unten eine Fontäne reiner Schwärze empor. Sie verschlang den Knaben, und Malakhs Stimme erstarb.
    Gaals Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. »Nun, mein Herr Dagon, fehlt Euch nur noch das letzte und machtvollste Opfer«, murmelte er.

2. Eine Nacht zwischen Leben und Tod
    D er Schrei zerriss die Stille der Nacht. Er kündete von unsäglichen Schmerzen, von Qualen, wie sie kein Mann freiwillig ertrug. Weit hallte er über das Ackerland. Das furchterregende Geschrei ließ Füchse die Ohren spitzen,
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