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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
Autoren: Ralf Isau
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festzuhalten, brachte Taramis die falsche Ippostute zu ihm hin. Wie ein Puppenspieler ließ er sie abwechselnd durchs Gras tänzeln und immer wieder zögernd innehalten. Er selbst blieb hinter seiner Verführerin verborgen.
    Sie trat unter das Blätterdach und umkreiste ihren Bewunderer. Dadurch wurde dessen Aufmerksamkeit weiter von dem stillen Jäger weggelenkt. So leise wie ein Schatten zog sich Taramis an einem Ast empor. Die Blätter der Linde raschelten im Wind, was seine Annäherung an das Ippo noch begünstigte. Geschickt wie ein Zeridianischer Nebelparder balancierte er zum Stamm hin, wechselte auf einen anderen Ast und näherte sich so gut wie lautlos dem Tier.
    Auch die falsche Stute schickte sich an, auf Tuchfühlung zu ihrem Verehrer zu gehen. Das sonderbar geruchlose Weibchen schien den Hengst zu verwirren. Seine Flanken zitterten vor Erregung, während die großen, goldgelben Augen sie wie gebannt beobachteten. Als er sich der Holden zuwandte, um sie zu beschnüffeln, fuhr seine behaarte Schnauze mitten durch ihren Kopf hindurch.
    In diesem Moment sprang Taramis auf den Rücken des Ippos, setzte ihm die Spitze des Feuerstabes in den Nacken und ließ seinen Willen in das Tier strömen. Ez bohrte sich nur etwa einen Fingerbreit in die Haut, was sich schon des Öfteren als wirksame Methode zur Bändigung großer und kleiner Ungetüme erwiesen hatte. Sollte sie diesmal versagen, würde dies – ohne Sattel und Zaumzeug – wohl der kürzeste Ritt werden, den Taramis je erlebt hatte.
    Das Haupt des Ippos fuhr herum, um nach den Beinen des Plagegeistes zu schnappen. Weil der sie aber vorsorglich angewinkelt hatte, schlugen die mächtigen Fänge ins Leere. Der Hengst fauchte, knurrte, schüttelte sich und stieg mit den Vorderläufen hoch. Taramis krallte sich mit der Linken in der struppigen Mähne fest, während er den Stab weiterhin im Nacken des Tieres beließ. Ihm war klar: Dessen Gegenwehr würde weitaus heftiger ausfallen, wenn er Ez aus der kleinen Wunde zöge. Und trotzdem bockte das Ippo noch mit unerwarteter Kraft und Ausdauer. Es war nicht nur prächtig, sondern auch stark und offenbar mit einem unbeugsamen Willen gesegnet.
    Als wisse es ganz genau, wie man einen unwillkommenen Reiter zermürbt, schlug es abwechselnd nach vorn und nach hinten aus. Der Stab schlenkerte wie ein Lämmerschwanz hin und her. Taramis geriet ins Rutschen. Langsam glitt er an der Flanke des Ippos herab. Wenn erst der Kontakt zum Bewusstsein des Tieres abriss, würde es ihn abwerfen und mit seinen tödlichen Hörnern auf ihn losgehen. Noch konnte er zustoßen und es töten. Er hätte damit zwar sein Leben gerettet, das Shúrias und Aris aber vielleicht verloren …
    Schließlich verließen ihn die Kräfte und er fiel. Die Landung im Gras verlief glimpflich. Sofort fuhr der schwarze Hengst herum und senkte das Haupt, wohl um den Menschen augenblicklich aufzuspießen. Taramis rollte sich auf den Rücken und riss den Feuerstab hoch. Daraufhin geschah etwas Eigenartiges.
    Das Ippo blieb vor ihm stehen und legte sein Horn sacht an die Spitze des Stabes, so als wolle es sagen: Wir sind ebenbürtige Kämpfer. Lass uns Frieden schließen.
    Im Augenblick der Berührung meinte Taramis wieder das Bewusstsein des Hengstes zu spüren. Zuvor war es wie eine Bastion gewesen, jetzt öffnete es sich ihm. Es war ein Geist – so einfach und stark, wie er dies nur ein einziges Mal bei einem Tier erlebt hatte. Bei einem treuen Freund, der sein Leben für ihn geopfert hatte.
    »Ich brauche dich, Allon «, sagte Taramis sanft. »Können wir gemeinsam ein Stück Weges gehen?« Wie selbstverständlich hatte er den Rappen sowie seinen tapferen Gefährten aus früheren Tagen angesprochen. Der Name bedeutete stattlich . Das traf auch auf den geflügelten Schatten zu, dessen große Bernsteinaugen den Mann neugierig musterten. Als Allon II . würde der Hengst ein würdiger Nachfolger des Mamoghs sein.
    Wie eine Riesenkatze schnurrte das Zweihorn wohlwollend. In seinem Sinn stiegen Gefühle auf, die dazu passten. Er schien zu antworten: Versuchen können wir’s ja. Du scheinst ein guter Mensch zu sein.
    Taramis zog den Stab zurück und drehte die Spitze von dem Tier weg. Er hoffte, es werde dies als Geste der Freundschaft verstehen.
    Allon II . blaffte drei-, viermal – es waren kurze, erwartungsvolle Laute, in denen sich Hundegebell und Tigergebrüll zu mischen schienen.
    Langsam erhob sich Taramis und tätschelte den Kopf des Ippos. »Guter
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