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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße
Autoren: Kurt Mahr
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war für Zeitexperimente gedacht. In seinem Innern bot er Raum für wissenschaftliches Gerät und eine Testperson. Der weitaus größte Teil des Kugelvolumens wurde von einem Generator und mehreren Projektoren eingenommen, die das paraenergetische Chronoskaph-Feld erzeugten und in der Form einer Hülle auf die Oberfläche der Stahlkugel projizierten. Durch das Hüllfeld, so verstand Jake Wedell die Zusammenhänge, wurde der Chronoskaph aus dem Universum, dem er bisher angehört hatte, herausgerissen und in ein übergeordnetes Kontinuum versetzt, in dem der Weltenvektor, der das Ereignis Chronoskaph beschrieb, nach Belieben manipuliert werden konnte. Nach dem Abschalten des Hüllfeldes kehrte die Kugel in ihr angestammtes Universum zurück – an einen Ort und zu einer Zeit, die von dem manipulierten Weltenvektor bestimmt wurden.
    Mehr brauchte Jake Wedell über die Chronoskaphie nicht zu wissen. Es genügte, daß er den Chronoskaphen zu bedienen verstand, und das verstand er wirklich wie kein anderer in Dr. Janssens Projektgruppe; denn schließlich gingen auf seinen Entwurf mehr als die Hälfte aller Schaltungen zurück, die in die Zeitmaschine eingebaut waren. Das Projekt war inzwischen knapp sechs Jahre alt. Der Chronoskaph war einsatzbereit. In zwei Tagen gedachte Pete Janssen die ersten unbemannten Versuche durchzuführen.
    Es bereitete Jake Wedell nur geringe Gewissensbisse, daß er derjenige sein würde, der Dr. Janssen um den Triumph seiner Arbeit brachte. Denn die Wirkung konnte nur von vorübergehender Dauer sein. Nachdem sein erster Chronoskaph entführt worden war, würde Janssen ohne Zweifel sofort mit dem Bau eines zweiten beginnen. Seine bisherigen Erfolge auf dem Gebiet der Chronoskaphie waren so überzeugend und gleichzeitig so einmalig, daß es ihm keine Schwierigkeiten bereiten würde, die Regierung in Washington zur Herausgabe weiterer Gelder zu überreden. Jake Wedell zerstörte also mit seinem Vorhaben nicht etwa das Lebenswerk eines verdienten Wissenschaftlers, sondern zögerte lediglich den Zeitpunkt hinaus, zu dem Janssen der ersehnte Erfolg zuteil wurde. Diese Erkenntnis beruhigte ihn, und unter dem Eindruck der Beruhigung gelang es ihm schließlich sogar einzuschlafen.
     
    Nach reiflicher Überlegung hatte Pete Janssen sich schließlich dazu durchgerungen, wenigstens seine engsten Mitarbeiter über Jake Wedells verdächtiges Interesse an dem Chronoskaphen zu informieren. Janssens engster Stab bestand aus insgesamt drei Personen. Der mittelgroße, untersetzte Lowell Hardy, der in seiner sorgfältig gewählten Kleidung aussah wie ein Preisboxer, der zum Empfangschef eines vornehmen Hotels avanciert war, leitete die Finanzen des Projekts. Irene Mahler, schlank und vollbusig, ihre akademische Bildung hinter dem Äußeren eines erfolgreichen Photomodells verbergend, war für das Personal verantwortlich. Carl Mallet schließlich, groß, blond und schüchtern, mit einer Strähne eigenwilligen Haars, die er sich des öfteren aus der Stirn wischen mußte, war der Technische Direktor des Projekts Chronoskaph.
    »Ich sehe wahrscheinlich Gespenster«, sagte Pete Janssen. »Aber es kann nicht schaden, wenn wir die Augen ein wenig offenhalten. Die Zeitreise ist ein merkwürdiges Ding. Sie kann Leute in Versuchung führen. Wenn Jake wirklich vorhat, sich mit dem Chronoskaphen auf ein privates Experiment einzulassen, dann, glaube ich, weiß er nicht, was ihm bevorsteht.«
    Der Tag brachte die üblichen Arbeiten und Probleme. Der erste Versuch mit dem Chronoskaphen sollte morgen stattfinden. Die Vorbereitungen waren abgeschlossen, bedurften jedoch nochmaliger Überprüfung. Der Checkout nahm besonders Janssen und Mallet so in Anspruch, daß die Sorge um Jake Wedell immer weiter in den Hintergrund ihres Bewußtseins rückte, je weiter die Zeit fortschritt. Lowell Hardy fühlte sich ohnehin für die Sicherheit des Chronoskaphen nur mittelbar verantwortlich und hatte genug Geldsorgen, um Wedell schon nach wenigen Stunden völlig zu vergessen. So blieb schließlich nur Irene Mahler, die die Personalangelegenheiten unter sich hatte und sich daher für die Probleme der Angestellten verantwortlich fühlte.
    Schließlich war es doch mehr Ahnung als ein bestimmter Verdacht, der sie veranlaßte, ein paar Stunden nach Dienstschluß noch einen Rundgang durch die große Laborhalle und die angrenzenden Räumlichkeiten zu unternehmen. Lowell Hardy war in die Stadt gefahren. Janssen und Mallet hatten eine Besprechung mit
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