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Die Zeitstraße

Die Zeitstraße

Titel: Die Zeitstraße
Autoren: Kurt Mahr
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dem technisch-wissenschaftlichen Stab und legten die letzten Einzelheiten für den morgigen Versuch fest. Blieb wiederum nur Irene, die Zeit und Gelegenheit hatte, sich um die Sicherheit des Chronoskaphen zu kümmern. In Gedanken verloren, nicht wirklich damit rechnend, daß sie auf jemand treffen werde, schritt sie durch den Gang zur Laborhalle. In der Halle war alles ruhig. Die Deckenbeleuchtung war eingeschaltet, und in ihrem grellen Glanz schimmerte die stählerne Kugel des Chronoskaphen wie ein Urbild der Ruhe und Verläßlichkeit. Irene warf kurze Blicke in die angrenzenden Räume, fand jedoch auch dort alles in Ordnung. Sie war auf dem Rückweg zu ihrem Büro, als sie im Gang hinter sich ein Geräusch hörte. Sie wandte sich um. Für den Bruchteil einer Sekunde gewahrte sie eine merkwürdig gekleidete Gestalt, die sofort darauf wieder in einem Seitengang verschwand.
    »Jake …?« rief sie, einfach auf Verdacht.
    Sie erhielt keine Antwort. Der Gang war so leer und still wie zuvor. Irene hatte eine Entscheidung zu treffen. Wenn die Gestalt wirklich Jake Wedell gewesen war und wenn er tatsächlich beabsichtigte, mit dem Chronoskaphen auf eigene Faust zu experimentieren, dann war sie nicht die geeignete Person, ihn davon abzuhalten. Sie brauchte Hilfe. Mit raschen Schritten lief sie bis zur nächsten Bürotür und rief von dem Videophon, das sie im Büro fand, den Konferenzraum an, in dem Janssen mit dem technisch-wissenschaftlichen Stab tagte.
    Es dauerte eine Weile, bis sie eine Verbindung bekam. Einer der Techniker war am Apparat.
    »Ich muß Pete sprechen … rasch!« stieß sie hervor.
    Der Mann schien zu merken, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen war. Pete Janssens hageres Pferdegesicht erschien auf der Bildfläche. Er wirkte irritiert.
    »Pete, ich habe eine Gestalt gesehen … hergerichtet wie zum Maskenball. Auf dem Gang zur Laborhalle!«
    Das lange Gesicht wurde zu einer finsteren Grimasse.
    »Maskenball …?«
    »Ja. Stulpenstiefel, eine komische Jacke, langes Haar …«
    »Hast du ihn angesprochen?«
    »Ja. Bekam aber keine Antwort.«
    »Ich bin sofort da«, entschied Pete Janssen. »Laß inzwischen Jake Wedell ausrufen. Wenn wir ihn an der Kandare haben, fühle ich mich viel sicherer.«
     
    »Jake Wedell, bitte zum Personalbüro!« plärrten die Lautsprecher.
    Im Gang zum Labor das Getrappel vieler Schritte, allen voran die von Pete Janssen, der mit wehendem Kittel voranzog. Der gesamte technisch-wissenschaftliche Stab folgte ihm auf den Fersen. Acht Minuten waren seit Irene Mahlers Anruf vergangen, da betraten sie die Laborhalle. Jake Wedell hatte sich bislang noch nicht gemeldet.
    Janssen brauchte nur einen Blick, um zu wissen, daß in der Halle etwas Ungewöhnliches im Gange war. Auf der Schalttafel zur Rechten spielten grüne und gelbe Kontrollichter. Janssen stürzte sich auf die Konsole. Er hatte die Hand schon erhoben, um die Energiezufuhr zum Chronoskaphen abzuschalten, da erblickte er die Leuchtanzeige INTERNE ENERGIEVERSORGUNG. Er kam zu spät. Der Chronoskaph war von der äußeren Energiezufuhr nicht mehr abhängig. Janssen konnte schalten wie er wollte – auf den Chronoskaphen konnte er keinen Einfluß mehr nehmen.
    Er riß das Mikrophon an sich.
    »Wer auch immer da drinnen ist … er soll wieder ’rauskommen! Kerl, du weißt gar nicht, auf was du dich da einläßt!«
    Im Lautsprecher rauschte es nur.
    »Jake – sind Sie das?« versuchte Janssen von neuem sein Glück.
    Diesmal bekam er Antwort, ein kurzes, gequältes Lachen, und dann Jake Wedells Stimme:
    »Ich wollte, Sie wären ein paar Minuten später gekommen, Pete«, sagte er. »Ich stehe nicht gern als ertappter Sünder da.« Seine Stimme nahm einen beschwörenden Klang an. »Pete, ich muß es tun! Es hätte mir keine Ruhe gelassen. Und für Sie bedeutet es nur ein paar Monate Aufschub, höchstens ein Jahr. Lassen Sie mich in Frieden ziehen. Sobald ich zurück bin, können Sie mit mir machen, was Sie wollen.«
    »Darum geht es nicht, Sie Narr!« schrie Janssen in höchster Erregung. »Zeitreisen, wie Sie sie sich vorstellen, gibt es gar nicht. Es geht um Ihr Leben, so verstehen Sie doch …«
    Aber Jake Wedell verstand nicht mehr. Ein hohles Summen erfüllte plötzlich die weite Halle. Das Geräusch schien aus der Luft selbst zu kommen, füllte den Raum bis in den hintersten Winkel und drang ins Gehirn. Mit schreckgeweiteten Augen richtete Pete Janssen sich auf und starrte den Chronoskaphen an. Die Umrisse der stählernen
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