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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)
Autoren: René Menez
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vergessen, als unter der Schneeschicht das Eis plötzlich knackte und das kaum merkliche Beben unter den Füßen ihren ganzen Körper erzittern ließ. - Seltsame Stille – Blicke trafen sich. Dann krachte es. Frauen, Kinder und vor allem Männer, erfahrene Jäger, die den Stamm anführten, brachen vor ihren Augen ins Eis ein. Einige ertranken, und andere, die gerettet werden konnten, erfroren, noch bevor das erste Feuer brannte. Von den Wenigen, die eingebrochen waren und nicht ertranken, starben innerhalb weniger Tage fast alle mit Fieber und Husten. Aber zwei junge Männer blieben am Leben. Und einer von ihnen war Ionech – Schwarzzahn, der in derselben Kaltzeit geboren worden war wie ihre ältere Schwester Kar. Für ihn empfand Maramir große Zuneigung. Deswegen hatte sie ihm auch ein Geschenk gemacht: einen kleinen, flachen Schneckenstein, den Maramir einst von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte. Er kam aus dem Land der Spitzgesichter und stammte von der Siegesbeute, die man einst den getöteten Eindringlingen abgenommen hatte. Dieser kleine, graue Stein mit der schneckenförmigen Spirale auf der flachen Seite sollte Ionech Glück bringen und ihn beschützen, so wie er zuvor Maramir als Schutzstein gedient hatte. Und vielleicht rettete ihm der Stein zum zweiten Mal das Leben. - Dennoch wünschte sie, Ionech wäre dagewesen, um zu kämpfen. Zwei junge, mutige Männer hätten den Kampf vielleicht anders entschieden. Andererseits befanden sich Ionech und Ruhnocko – Wolfssohn während des Überfalls schon so lange auf der Jagd, daß sie vielleicht nie mehr zurückkehren würden ...
    Maramir gab es auf, darauf zu hoffen, daß Ionech und Ruhnocko nach ihnen suchten. Es gab nur Kar, Leinocka und sie, weit weg von der Höhle am Fuß eines Hanges, inmitten des Hügellandes, wo die kräftigen, kampferprobten Männer im Morgengrauen des gestrigen Tages über sie hergefallen waren.
    Sie befanden sich jetzt im Inselland. Einem Gebiet, das sich in der Zeit der knospenden Bäume in eine von Wasser durchzogene, fast baumlose Gras- und Schilflandschaft verwandelt. Es war ihr ein kleiner Trost, daß ebenso wie im Land ihrer Ahnen, dort wo man vom Bergwald hinaus auf die große Flußebene blicken konnte, das Große Himmelsfeuer jenseits des großen Stroms hinter der Silhouette einer Bergkette am Horizont erlosch.
     
     
     

 
    2. Kapitel
     
    Maramir sah deutlich, wie die Sterne verblaßten. Bald würde ein neuer Tag anbrechen. Mit gemischten Gefühlen dachte sie an den bevorstehenden Marsch zurück ins Land ihrer Ahnen. Die Toten zu beweinen und ihre Schädel in den Bergwald zu tragen, um diese dort im Tal der Ahnen beizusetzen, war ihre heilige Pflicht; obwohl sie wußte, wie schwer es ihr fallen würde, den Anblick der toten Leiber, oder das, was von ihnen übrig geblieben war, zu ertragen.
    „Es wird Zeit, Leikika! Wir haben einen weiten Weg vor uns.“
    Kar raffte sich in den Stand und streckte Maramir helfend eine Hand entgegen. In dem Moment hörten sie ein verdächtiges Geräusch, das gleich darauf wieder verstummte. Maramir hob den Kopf und lauschte. Auch Kar horchte auf, dabei reckte sie ihre Nase empor, als wolle sie wittern wie ein mißtrauischer Wolf. - Erneut konnten sie es hören.
    „Kampfrufe! - Die Stimme eines Mannes!“, flüsterte sie.
    „Ja, die Stimme eines Mannes“, bestätigte Maramir. „Sicher ist er nicht allein!“
    „Leikika ...“, Kar zögerte einen Augenblick. - „Vielleicht gibt es für uns etwas Brauchbares zu holen!“
    Die Rufe verstummten. Kars Blick richtete sich jetzt auf Leinocka, die abwesend in den Schnee vor ihren Füßen starrte.
    „Sie hat uns nicht zugehört!“
    „Sie will nicht zuhören“, erwiderte Maramir, „und sie will auch noch immer nicht sprechen. Aber sie wird tun, was ich sage ...“
     
    Leise knirschte der Schnee unter ihren Füßen. Dicht stehende Bäume begrenzten ihre Sicht auf wenige Schritte. Keine Stimmen mehr, kein einziges verdächtiges Geräusch; nur das verräterische Knirschen des Schnees unter ihren Füßen war bei jedem Schritt zu hören.
    Kar blieb abrupt stehen.
    „Dort drüben, eine Fährte!“, flüsterte sie, ging darauf zu und beugte sich darüber. Dann kniete sie nieder und fuhr mit den Fingern durch den aufgewühlten Schnee. Schließlich roch sie daran und winkte Maramir zu sich, an deren Fellumhang sich Leinocka krallte.
    „Schau, Leikika! Die Ahnen sind bei uns“, teilte Kar ihr stolz mit, deutete auf die Wolfsspuren im Schnee
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