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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)
Autoren: René Menez
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an ihre Brust. Wutschnaubend schleuderte sie dem Kind entgegen: „Was fällt dir ein?“ Rasch trug sie das Kind aus dem Kreis der Tanzenden, setzte es ab und kniete sich hin, so daß sich das Gesicht des Mädchens direkt vor ihrem befand.
    Verschüchtert begegnete die Kleine der geradezu düster wirkenden Frau.
    „Geht sie jetzt für immer?“ - Die scheue Stimme des Mädchens und ihr trauriger Ausdruck verrieten ihre Sorge. Wie verwandelt streichelte ihr die Schamanin mit ihren vernarbten, kräftigen Händen die zarten Wangen.
    „Nein, meine Blume. Denn wenn ich dich ansehe, dann sehe ich sie vor mir ... Als ich in deinem Alter war, rettete sie mir das Leben ...“
    Der Gesichtsausdruck der weisen Schamanin verhärtete sich, als sie das kleine Mädchen in ihre Arme schloß. Erinnerungen flammten auf. Erinnerungen von denen das Kind in ihren Armen nichts wußte. - Voller Wehmut wurde ihr nun bewußt, wie sehr sie die Berührungen und die Stimme Maramirs vermissen würde.
    „Du hast ihre Augen. Glaube mir, die Mächte lieben dich ebenso wie sie!“
    „ Sie weiß so vieles noch nicht über die Mutter ihres Vaters. Es wird Zeit, daß sie die Geschichte hört; die Geschichte unseres Stammes, die an dem anderen Ufer begann ...“
     
     
     
     
     
     
     

 
    Buch
    „Maramir“
     
     
     
     

 
    1. Kapitel
     
    Heiß wie Feuer brannte ihr Unterleib, das Herz schlug bis zum Hals und jeder Atemzug schmerzte. Erschöpft sank sie in den frischen Schnee. Wegen der Tränen und dem dicht fallenden Schnee sah sie ihre Entführer und die beiden Fremden nur wie durch einen Schleier. Die Entfernung war zu groß, als daß Maramir ihre Stimmen hätte hören können. Mit gespreizten Schenkeln, den dicken, langen Fellüberwurf, samt unterem Fellgewand, bis über die Hüften hochgezogen, setzte sie sich in den kühlenden Schnee; für einen Augenblick würde es den Schmerz ihrer Wunden lindern, ein schwacher, doch willkommener Trost. Noch immer haftete ihr ein fremder, widerwärtiger Geruch an. Unentwegt führte er ihr das entsetzliche Bild der Sterbenden vor Augen, deren Jammern und Stöhnen noch nicht verstummt war, als man sie zu Boden gestoßen und einer der Männer sich auf sie geworfen hatte. Ein stechender Schmerz zwischen den Beinen hatte ihr schließlich den Atem genommen.
    Ohne ihre ältere Schwester Kar und Leinocka, einem gleichaltrigen Mädchen aus ihrem Stamm, hätte Maramir die Kraft nicht aufgebracht, bis jetzt durchzuhalten.
    Mit Schlägen und Tritten trieben ihre Entführer sie an, damit sie schneller liefen, so daß Maramir am Abend zuvor hustend und keuchend zutiefst erschöpft eingeschlafen war - mit angezogenen Beinen auf geschichteten Zweigen sitzend, dicht an Kar und Leinocka geschmiegt, eingehüllt in das blutbefleckte Fell eines Bären, das ihrer Mutter gehört hatte.
    „Spitzgesichter!“ Kars Stimme klang fern, als weckte ihre Schwester sie aus einem Schlaf.
    Seit dem Überfall hatte Kar nicht mehr gesprochen. Während der Nacht war sie nur starr dagesessen und hatte abwesend in die züngelnden Flammen gesehen; so erstarrt, daß es Maramir beinahe so vorkam, als sei Kar ihrer Mutter und ihrem zwei Kaltzeiten alten Sohn ins Totenreich gefolgt.
    „Sie kämpfen nicht! Sie wollen tauschhandeln - mit den Spitzgesichtern!“ Kars Tonfall schwankte zwischen Abscheu und ungläubigem Staunen.
    Maramir beobachtete mißtrauisch was da in einiger Entfernung vor sich ging, denn sie kannte die alten Geschichten gut, die davon erzählten, daß Blut floß, wenn ihresgleichen und Spitzgesichter aufeinandertrafen. Doch ... Kar schien sich nicht zu täuschen; ihre Entführer waren darauf aus mit den Spitzgesichtern zu verhandeln.
    Als kleines Mädchen hatte Maramir zum ersten Mal von den Spitzgesichtigen gehört, davon, wie einst ein Stamm dieser untersetzten, kleingeratenen Menschen in den Wald eingedrungen war, in dem ihr eigener Stamm schon viele Warmzeiten lang gelebt hatte. Mit Stolz hatte sie damals am Feuer den lodernden Stimmen der Alten gelauscht, die sich noch genau daran erinnerten:
    „Viele von den Spitzgesichtigen haben wir getötet und mehr Köpfe erbeutet als Finger an zwei Händen sind.“
    „Köpfe von Männern, Frauen und Kindern ... Und die verspeisten Seelen der Feinde gaben unserem Stamm neue Kraft.“
    Maramir hatte nicht vergessen, wie Grauer Wolf, der heilige Mann ihres Stammes, sich plötzlich aufrichtete und alle daraufhin verstummten. Er verließ seinen Platz und kam auf Maramir und
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