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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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schwach die Umgebung. Eleanors Blick ging nach oben und dort am Himmel sah sie das riesige schwarze Loch. Unablässig fielen von dort gefrorene Körper hinab zu ihr auf die Erde, wo sie sofort in zahllose Eissplitter zerstoben. Eleanor blickte wieder zu Boden und jetzt sah sie, dass der gesamte Untergrund zu ihren Füßen aus den Resten gefrorener Körper bestand. Hier und da erkannte sie noch ein einzelnes Bein, eine Hand oder auch ein schreckerstarrtes Gesicht, doch aus diesen Seelen war jedes Leben gewichen. Sie alle waren erfroren, an der Kälte des schwarzen Lochs zugrunde gegangen, das seit Jahrtausenden all jene Seelen aufsaugte, die sich von Gott losgesagt hatten. Unbewusst schlug Eleanor die Arme um ihren Körper, so als könne dies die unfassbare Kälte dieses Ortes von ihr fernhalten. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass die Temperatur der Hölle ihre Seele tatsächlich erreichte.
    „Geht es dir gut?“, erklang Gabriels Stimme zu ihrer Rechten. Eleanor nickte schwach.
    „Dieser Ort wirkt schrecklich tot“, sagte sie fröstelnd. „Was könnte hier so gefährlich sein, dass ihr alle ihn fürchtet?“
    „Hier wo wir stehen ist nichts gefährlich“, erwiderte der Engel. „Es ist der vielleicht friedlichste Ort der ganzen Hölle. Dort drüben ist unser Ziel!“ Und plötzlich klang seine Stimme ungewöhnlich ehrfurchtsvoll.
    Eleanor folgte seinem Blick und sah in nicht allzu großer Ferne eine merkwürdige Form in der Ebene aufragen. Es schien eine Tür zu sein, die vollkommen frei inmitten der eisigen Landschaft aufragte.
    „Dort musst du hin“, sagte Gabriel. „Ich kann dir nicht dorthin folgen, aber du musst eines über diesen Ort wissen, bevor du gehst.“
    Eleanor zögerte und blieb stumm vor ihm stehen.
    „Dort ist der Ort, der weiter von Gott entfernt ist, als jeder andere. Der Grund dafür ist allein in jenen Seelen zu finden, die du dort treffen wirst. Es sind zwei Seelen, nur zwei. Weißt du, wer die beiden sind?“
    Eleanor nickte. Mit einem Mal war sie sich sicher zu wissen, wer die zweite Seele sein musste.
    „Es sind Juda Iskariot und Asasel.“
    Gabriel nickte ernst. „Ja, Juda und Asasel. Jeshua von Nazareth hat uns hierher gesandt, um Juda zu retten. Aber das ist nicht, was ich will!“
    „Was willst du?“, hauchte Lilith, während es ihr plötzlich eiskalt den Rücken hinab lief.
    „Du wirst nur einen der beiden befreien können. Und ich will, dass du Asasel rettest!“
    „Warum?“ Eleanors Stimme versagte vor Furcht.
    „Weil er mein Bruder ist. Keiner von uns Engeln sollte einer Strafe ausgesetzt sein, wie Asasel sie seit zweitausend Jahren erleiden muss. Er hat genug gelitten!“
    „Juda denn nicht?“
    Gabriel lachte bitter auf. „Ein Mensch…“, begann er, doch Eleanor sah ihn so finster an, dass er abrupt abbrach.
    „Wenn du dort bist, darfst du einen der beiden berühren und ihn so aufwecken“, fuhr er beherrscht fort.
    „Was würde geschehen, wenn ich beide wecke?“
    „Es reicht nicht aus sie einfach zu wecken“, erwiderte Gabriel. „Beide haben sich so weit von Gott entfernt, dass du sie nicht aus dem Zentrum der Hölle hinaus bekommen würdest. Du wirst die richtigen Worte sagen müssen um sie aus der Dunkelheit ins Licht zu führen. Aber wenn du sie beide weckst, wird einer gegen den anderen stehen. Juda wird Asasel nicht verzeihen können, dass er ihn zum Verrat gezwungen hat. Und Asasel wird nicht vergeben können, dass ein Mensch in deinen Augen denselben Wert hat, wie er selbst!“
    Eleanor nickte. Plötzlich war sie unglaublich müde und wünschte sich, all dies hinter sich lassen zu können.
    „Warum sollte ich mich deinem Wunsch beugen?“, fragte sie erschöpft.
    Ein Lächeln zog sich über Gabriels Gesicht.
    „Gab es nicht damals einmal einen Jungen, der deine Liebe zurückgewiesen hat?“, fragte er. „Calvin war sein Name, richtig?“
    Ein kalter Schauer lief bei diesen Worten über Eleanors Rücken, während Gabriel die Worte sacken ließ. Dann senkte er seine Stimme und sprach erneut.
    „Du musst solche Enttäuschungen nicht mehr erleben. Nie mehr. Wenn du meiner Bitte folgst, wirst du im Leben keine Misserfolge mehr sehen…“
    „Ist der Preis dafür nicht meine Seele?“, erwiderte Eleanor aufgebracht.
    „Und wenn es so wäre?“, fragte Gabriel noch immer lächelnd. „Selbst wenn du nicht vor Gott treten könntest, so hättest du dich doch meiner Dankbarkeit versichert. Glaubst du denn wirklich, dass die Hölle für dich
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