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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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die das zutrifft.“
    Juda nickte wortlos, während er noch immer mit starrem Blick auf den Engel hinabsah.
    „Ich habe geträumt“, flüsterte er. „Jahrtausende lang bin ich von Alpträumen heimgesucht wurden. Ich habe in ihnen gelebt und gelitten und in jedem einzelnen kam er vor. Ich habe sogar davon geträumt wie es wäre, wenn ich ihn für seine Taten büßen lassen könnte. Aber jetzt wo er vor mir liegt… jetzt habe ich Mitleid mit ihm.“
    Eine Weile war es ganz still in dem kleinen Raum. Juda gab ein schniefendes Geräusch von sich.
    „Wer hat ihm das angetan?“, fragte er schließlich, während er auf Asasels verunstalteten Körper zeigte.
    „Es war wohl Gott… soweit ich weiß“, erwiderte Eleanor nach einem kurzen Zögern. „Am Tag als Jeshua starb.“
    Wieder nickte Juda, ohne den Blick vom den Engel wenden zu können.
    „Können wir ihm helfen?“
    „Das weiß ich nicht“, gab Eleanor zu. „Das liegt an ihm. Ich kann ihn nur wecken. Aber vielleicht ist das unser beider Untergang…“
    Juda starrte sie entsetzt an. Dann kniff er entschlossen den Mund zusammen.
    „Tu es!“, sagte er kurz angebunden. Dann trat er einen Schritt zurück.
    Eleanor ging auf Asasel zu und kniete neben ihm nieder.
    „Asasel, wach auf!“, sagte sie, während sie ihn sanft an der Wange berührte. Und ebenso wie bei Juda zuvor ging ein Ruck durch den Körper des Engels und er schlug die Augen auf. Zunächst schien Asasel völlig desorientiert zu sein. Sein Blick glitt flackernd durch den Raum, doch dann blieb er an Eleanor und Juda haften. Von einem Augenblick auf den anderen entzündete sich das rote Feuer des Hasses in seinem Körper und er loderte gefährlich auf. Mit einem gewaltigen Brüllen sprang er auf und plötzlich erschien wie aus dem Nichts ein flammendes Schwert in seiner Rechten.
    „Juda!“, schrie er aufgebracht. „Nur euch Menschen wegen muss ich all dies erleiden. Und nun seid ihr selbst in meinen Toten Palast eingedrungen! In meine Seele!“
    „Wir sind hier um dir zu helfen“, schrie Eleanor, doch der verkrüppelte Engel schwang in einem markerschütternden Schrei das Schwert über seinem Kopf und holte gegen sie aus. Nur knapp verfehlte die brennende Klinge Eleanors Hals und noch während sie nach hinten taumelte, spürte sie plötzlich einen festen Griff an ihrem Handgelenk. Juda riss sie nach hinten und beinahe wäre sie gestrauchelt und der Länge nach auf den Boden geschlagen. Gerade eben noch konnte sie ihren Fall abbremsen und dann stolperte sie hinter Juda her, der sie zur Tür zog.
    Ein weiterer Schwerthieb verfehlte sie nur um Haaresbreite. Sie spürte die lodernden Flammen über ihre Haut fahren, heißer und vernichtender als alles, was sie bisher in der Hölle erlebt hatte. Der Schmerz war ungeheuerlich und Eleanor hatte das Gefühl, als würde ihr Blut in den Adern zu kochen beginnen. Noch immer brüllte Asasel seine Wut unkontrolliert heraus und jetzt war sie sich vollkommen sicher, dass der nächste Hieb sie erwischen würde. Juda rüttelte mittlerweile wild an der Tür und endlich gab das Schloss nach. Die Tür öffnete sich nach innen, er sprang einen Schritt zurück und drückte dabei Eleanor unbeabsichtigt an Asasel heran, der mit einem triumphierenden Schrei die Klinge des flammendes Schwertes so tief in ihre Brust stieß, dass sie aus dem Zimmer im Zentrum der Hölle hinaus gestoßen wurde.
     
    Die Zeit schien stillzustehen. Eleanor spürte die Hitze des Schwertes nicht mehr und selbst der Schmerz der Klinge in ihrer Brust war verschwunden. Ihre Augen weiteten sich und sie hatte das Gefühl aus sich selbst herauszutreten und sich beim Sterben zusehen zu können. Wer war das dort neben ihr? War das wirklich Juda? Jener Juda, den die Christenheit so sehr für seine Tat verabscheute? Eleanor glaubte zu lächeln. Wie konnte man jemanden hassen, den man nicht einmal kannte? Was wussten die Menschen denn schon von ihm und seinen Beweggründen? Nichts! Absolut nichts. Ihre Augen verdrehten sich und blickten nun hinauf zum Himmel. Jenem merkwürdig grauverhangenen Himmel, der keine Sonne, keinen Mond und keine Sterne kannte. Allein das gewaltige schwarze Loch, das dort oben wie eine dunkle Drohung hing und noch immer unablässig gefrorene Seelen auf die Erde hinab regnen ließ.
    Eine Flut von Bildern schoss durch ihren Kopf. Wie Blitze schlugen sie dort ein, leuchteten einen kurzen Moment lang auf und verblassten dann wieder, während das Echo ihrer Emotionen in ihrer Seele
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