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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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Selbstmordversuch hinter sich hatte. Doch seitdem hatte sie keinerlei psychologische Auffälligkeiten mehr gezeigt. Mehr noch – ihre seelische Ausgeglichenheit war auffallend gut und stabil und allein Michael wusste um die volle Wahrheit hinter dieser Tatsache. Er hatte sie jeden Tag besucht und schließlich wusste jeder in Stratton Hall, dass der Sohn von Veronica Jones mit Eleanor Storm, dem Mädchen aus Zimmer sieben, befreundet war. Nein, mehr als befreundet.
    Und ja, Eleanor war tatsächlich auf das Zimmer Nummer sieben verlegt worden –  Raphaels ehemaliges Zimmer. Zu Beginn ihrer Zeit dort war das für sie ein merkwürdiges Gefühl gewesen. Aber schon nach kurzer Zeit hatte sie sich hier ausgesprochen wohl gefühlt. Die ersten zwei Monate war ihr Aufenthalt dort ereignislos gewesen. Dann jedoch hatte sie eines Nachts einen Besucher, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Während sie sich zur Nacht fertig gemacht und zum Zähneputzen vor dem Spiegel gestand hatte, war plötzlich Raphaels vertrautes Gesicht neben ihr erschienen. Sie konnte nicht anders – sie war herumgewirbelt und ihm in die Arme gefallen. Raphael hatte gelacht und sie an sich gedrückt. Das gewohnte Gefühl von Wärme, Geborgenheit und unendlichem Glück war durch sie gefahren. Doch obwohl sie ihn von ganzem Herzen liebte, wusste sie nun, dass dies nicht die Art von Liebe war, auf der man Beziehungen zwischen Mann und Frau aufbaute. Dies war eine Liebe, die gänzlich anders war und die außerhalb von Eifersucht und Neid stand. Als sie ihn endlich ansehen konnte, hatte er sie angelächelt und sie hatte gewusst, dass auch er glücklich war.
    „Du scheinst dich gut eingelebt zu haben“, lachte er. „In meinem alten Zimmer.“
    „Wundert dich dass? Es steckt voller Erinnerungen und die meisten sind gut!“
    Raphael hatte genickt und sich neugierig umgesehen.
    „Man merkt, dass jetzt ein Mädchen hier wohnt.“
    Eleanor verzog lächelnd den Mund.
    „Wie geht es Lilith?“, hatte sie gefragt.
    „Gut!“, strahlte Raphael. „Seit sie das Gefühl hat, dass sie wieder eine richtige Seele hat, ist sie wie ausgewechselt. Sie ist unglaublich. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, ich bin seit Jahrtausenden mit ihr zusammen. Ich fange erst jetzt an zu begreifen, was Uriel und Naral für einander empfunden haben. Immer zu wissen was der andere fühlt und was ihn bewegt ist etwas, das weit über das hinausgeht, was Menschen füreinander sein können.“
    Raphael zuckte zusammen, als er bemerkte, was er gesagt hatte. Doch Eleanor lächelte.
    „Das glaube ich dir. Und ich freue mich für dich“, sagte sie. Und genau so meinte sie es auch.
    Von dieser Nacht an war Raphael immer wieder einmal zu Besuch gekommen und manchmal war auch Lilith dabei gewesen. Und es stimmte – Eleanor genoss es, die beiden umeinander her turteln zu sehen. Der eine begann einen Satz, den der andere beendete. Wäre einer der beiden gestrauchelt hätte der andere ihn gefangen ohne hinsehen zu müssen. Sie bildeten eine Einheit ohne sich selbst aufgegeben zu haben, sie konnten die Finger voneinander nicht lassen und unablässig zauberte der eine dem anderen ein Lächeln aufs Gesicht. Ganz offensichtlich hatte Raphael in Lilith ein Gegenstück gefunden und für Lilith war es die Erfüllung all jener Träume, die sie seit Jahrtausenden erhofft und ersehnt hatte.
    An jenem Tag, als Eleanor das Sanatorium von Stratton Hall verließ, stand Michael an der Seite ihrer Familie vor dem mächtigen Haupthaus. Als sie in der Tür erschien, lief er ihr entgegen und nahm ihren Koffer. Sie gab ihm einen kurzen Kuss, bevor sie ihrer Familie entgegenlief und ihnen in die Arme fiel. Er sah ihr lächelnd nach, dann brachte er ihr Gepäck zum Auto von Onkel Max. Mochte sie sich jetzt um ihre Familie kümmern – er hatte noch ein ganzes Leben mit ihr…
     
    …
     
    Und Elizabeth? Elizabeth sollte noch eine besondere Rolle spielen. Auf jenem Friedhof im dritten Kreis der Hölle war sie Gabriel nicht zum letzten Mal begegnet. Doch diese Geschichte ist zu groß, um sie hier zu erzählen.
     
    …
     
    Nur eines gibt es noch zu sagen: Auf dem kleinen Friedhof von Stratton befindet sich seit einigen Jahren ein Grabstein, der anders als die anderen ist. Während die anderen grau, verwittert und von Moos überwuchert sind, ist dieser neu, hell und sauber. Stets liegen frische Blumen vor ihm und doch wissen nur wenige Menschen auf der Welt, dass unter ihm keine Gebeine in der Erde
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