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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten
Autoren: Linda Castillo
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Tequilas genauso sehr wie Rupert seine Glock-Pistole. Doch der Anflug von Leichtigkeit ist schnell vorüber. »Wenn Sie die Abdrücke haben, machen Sie auch welche von allen, die hier am Tatort rumgestiefelt sind. Schicken Sie alles ans BCI -Labor. Die sollen einen Abgleich machen und herausfinden, ob es irgendwelche Besonderheiten gibt.«
    BCI ist das Akronym für Bureau of Criminal Identification and Investigation in London, Ohio, einem Vorort von Columbus. Diese staatliche Behörde ist dem Büro des Generalstaatsanwalts unterstellt und hat ein hochmodernes Labor, Zugang zu Polizeidatenbanken und viele andere Ressourcen, die von örtlichen Polizeidienststellen genutzt werden können.
    Glock nickt. »Sonst noch was?«
    Mein Lächeln wirkt gezwungen. »Wäre es möglich, Ihren Urlaub zu verschieben?«
    Auch er lächelt, doch es hat etwas Angestrengtes. Wenn jemand eine Auszeit verdient hat, dann Glock. Seit er für mich arbeitet, hat er noch keine nennenswerte Freizeit gehabt. »LaShonda und ich haben keine großen Pläne«, sagt er. LaShonda ist seine Frau. »Wir wollten nur das Kinderzimmer fertig machen. Der Arzt meint, es kann jeden Tag so weit sein.«
    In einhelligem Schweigen blicken wir auf den Tatort. Obwohl ich zwei Paar Socken in meinen wasserfesten Stiefeln trage, schmerzen meine Füße vor Kälte. Ich bin müde, mutlos und erschüttert. Der Zeitdruck sitzt mir im Nacken. Jeder kompetente Polizist weiß, dass die ersten vierundzwanzig Stunden nach einem Mord entscheidend für die Aufklärung sind.
    »Ich fahr dann mal los und hole die Sachen«, sagt Glock schließlich.
    Ich sehe zu, wie er den Wassergraben durchquert, in seinen Streifenwagen steigt und wegfährt. Dann blicke ich wieder auf das Feld, wo der Schnee flüsternd über den gefrorenen Boden treibt. Von meinem Standort aus kann ich gerade noch die Blutlache des Opfers erkennen, leuchtend rot auf reinem Weiß. Das Absperrband flattert im frischen Nordwind, die Äste der Bäume stoßen aneinander wie klappernde Zähne.
    »Wo bist du, du Scheißkerl?«, sage ich laut, doch meine Stimme klingt merkwürdig in der frühmorgendlichen Stille.
    Nur das Säuseln des Windes in den Bäumen und der Widerhall meiner Stimme antworten mir.
    · · ·
    Zwanzig Minuten später trifft Officer Skidmore am Tatort ein. Er schwingt sich aus dem Streifenwagen mit zwei Kaffeebechern in der Hand, einem »Keine Fragen bitte«-Gesichtsausdruck und einem halbgegessenen Donut in der Hand.
    »Warum können sich die Leute nicht bei zwanzig Grad und Sonnenschein umbringen lassen?«, murmelt er und reicht mir den Kaffee.
    »Das würde es uns viel zu leicht machen.« Ich nehme den Deckel vom Kaffee und informiere ihn kurz über den Stand der Dinge.
    Als ich fertig bin, wirft er einen Blick auf den Tatort. Dann sieht er mich erwartungsvoll an, als solle ich jetzt bitte die Hände in die Luft werfen und zugeben, dass das Ganze ein schlechter Scherz ist. »Ein echter Hammer, so was mitten in der Nacht hier draußen zu finden.« Er schlürft seinen Kaffee. »Wie geht’s T. J.?«
    »Ich denke, er kommt klar.«
    »Der Kleine wird ziemliche Albträume kriegen.« Seine Augen sind blutunterlaufen, und mit der Kater-Prognose hatte Glock recht.
    »War es spät letzte Nacht?«, frage ich.
    Mit Puderzucker am Kinn, grinst er mich schief an. »Die Tequilas mögen mich leider weniger als ich sie.«
    Das höre ich nicht zum ersten Mal. Skid kommt aus Ann Arbor, Michigan, wo er seinen Polizeijob wegen außerdienstlicher Trunkenheit am Steuer verlor. Jeder weiß, dass er zu viel trinkt. Aber er ist ein guter Cop. Ich hoffe, dass er sein Problem in den Griff bekommt. Alkohol hat schon das Leben vieler Menschen zerstört, ich möchte ihn ungern dazuzählen müssen. Er weiß, dass ich ihn auf der Stelle feuere, wenn er betrunken zur Arbeit kommt. Das habe ich gleich bei der Einstellung vor zwei Jahren klargestellt, und bis jetzt hat er sich daran gehalten.
    »Glauben Sie, es ist derselbe Kerl wie Anfang der neunziger Jahre?«, fragt er. »Wie hat man ihn genannt? Den Schlächter? Der Fall wurde nie gelöst, stimmt’s?«
    Als ich den Spitznamen laut ausgesprochen höre, kriege ich Gänsehaut auf den Armen. Damals hatten die örtliche Polizei und das FBI noch Jahre nach dem letzten Mord an dem Fall gearbeitet. Als die Spuren schließlich kalt wurden und das öffentliche Interesse schwand, ließen auch ihre Bemühungen nach. »Es ist irgendwie kaum vorstellbar«, sage ich zurückhaltend. »Eine
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