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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten
Autoren: Linda Castillo
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Verbrechen aus Leidenschaft.«
    »Wer das getan hat, war nicht in Eile.« Unsere Blicke treffen sich. »Das war geplant. Gut vorbereitet.«
    Ich weiß, was er denkt. Es steht in seinen Augen geschrieben. Ich weiß es, weil ich das Gleiche denke.
    »Genau wie damals«, sagt er schließlich.

3. Kapitel
    Schnee wirbelt im Scheinwerferlicht meines Explorers, als ich auf den langen, schmalen Feldweg zu Stutz’ Farm einbiege. T. J. sitzt schweigend neben mir. Er ist der jüngste Polizist in meinem Revier, erst vierundzwanzig – und sensibler, als er selbst je zugeben würde. Sensibilität ist bei einem Cop keine schlechte Eigenschaft, aber der Leichenfund hat ihm stark zugesetzt.
    »Was für ein beschissener Start in die Woche.« Ich lächele gezwungen.
    »Kann man wohl sagen.«
    Ich will, dass er redet, habe aber wenig Talent in Smalltalk. »Mit Ihnen ist alles okay?«
    »Mit mir? Klar, mir geht’s gut.« Meine Frage und die Bilder, die ihm bestimmt noch im Kopf rumgehen, machen ihn verlegen.
    »So was zu sehen …« Ich blicke ihn in bester Cop-zu-Cop-Manier an. »Das ist hart.«
    »Ich hab schon mehr Scheiße mitgekriegt«, erwidert er abwehrend. »Als Houseman frontal in das Auto der Familie aus Cincinnati gekracht ist und sie dabei alle umgebracht hat, war ich als Erster vor Ort.«
    Ich warte und hoffe, dass er sich mir gegenüber öffnet.
    Er sieht aus dem Fenster, fährt mit den Handflächen über die Uniformhose. Jetzt wirft er mir einen verstohlenen Blick zu. »Haben Sie schon mal so was gesehen, Chief?«
    Seine Frage bezieht sich auf meine acht Jahre als Polizistin in Columbus. »So was Schlimmes noch nicht.«
    »Er hat ihr die Zähne rausgebrochen. Sie vergewaltigt. Ihr die Kehle durchgeschnitten.« Er stößt Luft aus wie ein Dampfkochtopf, bei dem man das Ventil geöffnet hat.
»Verdammt.
«
    Mit meinen dreißig Jahren bin ich zwar nicht so viel älter als T. J., doch angesichts seines jugendlichen Profils fühle ich mich steinalt. »Sie haben sich ganz gut gehalten.«
    Er starrt zum Fenster hinaus, will nicht, dass ich seinen Gesichtsausdruck sehe. »Ich hab am Tatort Mist gebaut.«
    »Sie konnten ja nicht wissen, dass da eine Tote liegt.«
    »Schuhabdrücke wären sicher hilfreich gewesen.«
    »Es ist immer noch möglich, dass wir etwas Brauchbares finden.« Eine ziemlich optimistische Annahme. »Ich bin auch auf den Schleifspuren rumgetrampelt. So was passiert.«
    »Glauben Sie, Stutz weiß was über den Mord?«, fragt er.
    Isaac Stutz und seine Familie gehören den Amischen an, einer Glaubensgemeinschaft, die mir sehr vertraut ist, denn ich bin vor ewigen Zeiten als Amische geboren, in just dieser Stadt.
    Ich gebe mir Mühe, mein Urteilsvermögen nicht von meinen Vorurteilen und meiner Voreingenommenheit beeinträchtigen zu lassen. Doch ich kenne Isaac persönlich und halte ihn für einen anständigen, hart arbeitenden Mann. »Ich glaube nicht, dass er etwas mit dem Mord zu tun hat«, erwidere ich. »Aber vielleicht hat jemand von der Familie etwas beobachtet.«
    »Wir befragen ihn also nur?«
    »
Ich
befrage ihn nur.«
    Das entlockt ihm ein Lächeln. »Richtig«, sagt er.
    Der Weg biegt nach links ab und ein weißes Schindelhaus kommt ins Blickfeld. Wie die meisten Amisch-Farmen in dieser Gegend ist das Haus einfach, aber gepflegt. Ein Holzzaun mit Querlatten trennt den hinteren Garten von einem Hühnerstall mit Auslauf. Mein Blick fällt auf den schön gewachsenen Kirschbaum, der im Sommer bestimmt Früchte trägt. Jenseits davon heben sich die Silhouetten einer großen Scheune, eines Getreidesilos und einer Windmühle vom Himmel ab, wo sich die Morgendämmerung ankündigt.
    Obwohl es noch nicht einmal fünf Uhr ist, werden die Fenster vom gelben Schein einer Laterne erhellt. Ich parke neben einer Kutsche, dem
Amisch-Buggy,
und stelle den Motor ab. Der Schnee auf dem Gehweg zur Haustür ist schon weggeschaufelt.
    Noch bevor wir klopfen, geht die Tür auf. Isaac Stutz ist etwa vierzig Jahre alt. Er hat – wie alle verheirateten Amisch-Männer – einen Vollbart und trägt ein blaues Arbeitshemd, dunkle Hosen und Hosenträger. Sein Blick schnellt von mir zu T. J. und wieder zurück zu mir.
    »Es tut mir leid, dass wir schon so früh stören müssen, Mr Stutz«, sage ich zur Begrüßung.
    »Chief Burkholder.« Er neigt leicht den Kopf, tritt einen Schritt zurück und macht die Tür weit auf. »Kommen Sie herein.«
    Ich säubere meine Schuhe auf der Fußmatte und trete ins Haus. Es duftet nach
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