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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl
Autoren: Daniela Larcher
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hierhergebracht haben.«
    »Er hing?«, fragte Haug. »Er wurde erstochen und aufgehängt?«
    »Ralph, ich sage dir, so etwas hast du noch nie gesehen! Das ist kein gewöhnliches Verbrechen aus Eifersucht oder Habgier. Der Mann wurde regelrecht abgeschlachtet. Heute Nacht hat ihn jemand an einem Baugerüst hinter der Kirche festgebunden – und zwar kopfüber, mit gespreizten Armen und Beinen. Es sieht so aus, als wollte der Täter die Leiche zur Schau stellen.« Ein kurzes Piepen signalisierte Morell, dass der Akku seines Handys fast leer war. »Verdammt«, fluchte er, »mein Handy geht gleich aus! Ich muss mich kurzfassen. Bis wann können deine Leute hier sein?«
    »Hör zu, Otto«, begann Haug, »ich glaube dir, dass das eine wirklich schlimme Sache ist, die da passiert ist. Aber wir sind hier total knapp besetzt. Seit der Budgetkürzung letztes Jahr fehlen mir
hinten und vorn die Mittel, um mehr Überstunden zu bezahlen. Und durch das Schneechaos der letzten Tage gab es viele Unfälle, und langsam macht sich bei den Menschen da draußen auch die Weihnachtsdepression breit. Ich habe hier Schlägereien, Suizide und Misshandlungen en masse auf dem Tisch.«
    »Was willst du mir damit sagen, Ralph? Soll das heißen, du kannst mir niemanden schicken? Ich habe hier einen Mord, und zwar einen von der schlimmsten Sorte!«
    »Otto«, seufzte Haug, »ich würde dir wirklich gerne helfen, aber ich habe im Moment einfach keine Beamten, die ich entbehren könnte. Warum brauchst du überhaupt Verstärkung? Wir wissen beide, dass du gut genug ausgebildet bist, um das selbst zu machen.«
    Morell senkte den Kopf und presste die Zähne zusammen. »Ich habe mich in den letzten Jahren mit Fahrraddiebstählen und entlaufenen Katzen beschäftigt. Ich bin Polizeibeamter in Landau, Ralph. Das schlimmste Verbrechen in der Geschichte dieses Ortes war ein Banküberfall im Jahr 1985 . Bitte, Ralph! Ich brauche dringend Hilfe! Kannst du nicht irgendetwas für mich tun?«
    »Du bist nicht nur ein einfacher Polizeibeamter in einem kleinen Kaff, Otto. Du bist Chefinspektor. Du hast die Ausbildung zum Beamten im Kriminaldienst gemacht und auch einige Jahre Praxiserfahrung.«
    Morell schwieg. Er wusste, dass Haug recht hatte. Er war natürlich in der Lage, eigenständig eine Mordermittlung durchzuführen. Ein Piepen erinnerte ihn wieder an den leeren Akku.
    »Otto«, redete Haug weiter. »Ich weiß sehr wohl, dass du mit Gewaltverbrechen schon immer ein Problem hattest. Ich kann aber beim besten Willen keinen Polizisten hier abziehen, wenn vor Ort jemand ist, der die Arbeit mindestens genauso gut machen kann.«
    »Schon verstanden«, sagte Morell und wollte auflegen.
    »Warte!«, rief Haug. »Mir ist gerade etwas eingefallen. Möglicherweise kann ich doch etwas für dich tun.«
    »Bitte! Ich nehme jede Hilfe, die ich kriegen kann.«
    »Ich kann dir nichts versprechen, aber Dr.Nina Capelli aus dem Rechtsmedizinischen Institut fährt heute für zwei Wochen nach Italien. Sie müsste dabei ganz in deiner Nähe vorbeikommen. Vielleicht kann sie einen kleinen Umweg machen. Sie könnte sich dein Opfer kurz ansehen, bevor es nach Innsbruck in die Gerichtsmedizin gebracht wird, und dir schon einige nützliche Hinweise geben. Capelli ist wirklich gut.«
    »Das wäre sicherlich hilfreich. Bis die Ergebnisse der Autopsie vorliegen, kann es eine kleine Ewigkeit dauern. Wenn ich jetzt schon einige Hinweise zum Todeszeitpunkt und der Tatwaffe kriegen könnte, würde mir das sehr helfen.«
    »Wie gesagt, ich kann dir nichts versprechen, aber ich werde sehen, was sich machen lässt. Ich kenne Nina recht gut und kann sie vielleicht überreden. Schick mir auf jeden Fall deinen Bericht, ich werde ihn mir ansehen. Und halt mich auf dem Laufenden! Ich werde dich unterstützen, wo ich nur kann.«
    »Danke«, sagte Morell, »ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Du, ich muss Schluss machen, der Akku. Ciao Ralph.« Er legte auf. »Also dann, an die Arbeit«, murmelte er, »es bleibt mir wohl nichts anderes übrig.«
     
    Morell fuhr ins Polizeirevier, um dort ein paar Dinge zu holen, die er für die Spurensicherung brauchte. Anschließend machte er Fotos vom Tatort und von der Leiche und untersuchte gemeinsam mit Bender mehrere Stunden lang den Friedhof, die Kirche und deren Umgebung, konnte aber keinerlei Spuren finden. Der Schnee hatte ganze Arbeit geleistet.
    Nun war der Moment gekommen, an den Morell schon die ganze Zeit mit Grauen gedacht hatte. Er und Bender
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