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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl
Autoren: Daniela Larcher
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Anders, nicht wahr?« Er scharrte mit seinen Schuhspitzen im Schnee.
    »Ja, Robert. Ich glaube schon.« Morell sagte nichts mehr, sondern starrte ins Leere. Er kannte Josef Anders. Sie waren in dieselbe Schule gegangen. Morell war nur wenige Jahre älter gewesen. Außerdem verhielt es sich in Landau so wie in jedem kleinen Ort: Jeder kannte jeden. Man traf sich beim Einkaufen, auf dem Markt oder am Abend im Wirtshaus. Morell hatte keine Ahnung, wie er das hier Josefs Familie beibringen sollte.
    »Die Ursprünglichkeit des Tatorts ist so weit wie möglich zu erhalten«, zitierte er weiter aus dem Handbuch der Polizeiarbeit. So weit so gut. Bender hatte die Zugänge zum Friedhof abgeriegelt.
    »Offensichtliche Spuren sind gegebenenfalls auch provisorisch zu sichern«, murmelte Morell. Er sah sich um und zählte drei verschiedene Fußabdrücke. Seine eigenen, Benders und die von Agnes Schubert. Wenn der Täter Fußspuren hinterlassen hatte, so waren sie durch den starken Wind und den Schneefall der letzten Nacht zunichtegemacht worden. Morell konnte auch sonst nichts entdecken, das so aussah, als ob es irgendeinen Hinweis auf die Tat geben könnte. Er brauchte dringend Hilfe!
    Er zog sein Handy aus der Jackentasche und musste feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wie die Nummer des Landeskriminalamtes Tirol lautete – er hatte sie noch nie gebraucht. Morell wusste, dass Bender vor ein paar Wochen, in einem Anflug akuter Langeweile, alle wichtigen Telefonnummern in die Apparate auf dem Revier eingespeichert hatte. Aber er war hier nicht in seinem gemütlichen, freundlichen Büro. Er stand hier auf dem gottverdammten Friedhof, der sich irgendwann letzte Nacht in einen gottverdammten Tatort verwandelt hatte, und fror sich seinen fetten
Arsch ab. Er entschuldigte sich innerlich bei Gott fürs Fluchen und wählte 118   811 , die Nummer der Auskunft.
    »Auskunft. Was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine freundliche Stimme.
    »Guten Morgen, verbinden Sie mich bitte mit dem Landeskriminalamt.«
    »Mit welchem denn?«
    Morell stutzte. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm einfiel, dass die Dame bei der Auskunft ja nicht wissen konnte, in welchem der neun Bundesländer er sich gerade aufhielt.
    »Innsbruck«, sagte er.
    »Das Landeskriminalamt Tirol meinen Sie also?«, fragte die Frau.
    »Bin ich hier bei einem Geographiequiz oder bei der Auskunft?«, fragte Morell und bereute sofort seinen übellaunigen Ton.
    »Einen kleinen Moment bitte«, sagte die Dame am anderen Ende der Leitung und klang dabei nicht mehr ganz so freundlich wie noch vor wenigen Augenblicken.
    »Landeskriminalamt«, meldete sich eine Dame mit eindeutigem Tiroler Akzent nur wenige Sekunden später.
    »Guten Morgen! Hier spricht Chefinspektor Otto Morell aus Landau. Hier ist ein Mord geschehen, und ich brauche dringend Unterstützung.«
    »Einen Moment bitte, ich verbinde Sie weiter.«
    »Hier Haug«, meldete sich nach ein paar Sekunden eine Stimme, die Morell gut kannte. Glück im Unglück. Er atmete innerlich auf. Er und Ralph Haug hatten gemeinsam die Grundausbildung absolviert und waren gute Freunde gewesen. Anschließend war Otto in Wien gelandet, während Ralph seinen Dienst in der Tiroler Landeshauptstadt verrichtete. Im Laufe der Jahre hatten sie sich ein wenig aus den Augen verloren.
    »Servus Ralph, hier ist Otto. Otto Morell. Ich hoffe, du erinnerst dich noch?«
    An Morells Ohr ertönte ein lautes, kehliges Lachen. »Otto, du alter Sack! Dass man von dir wieder einmal etwas hört. Wie geht es dir in deinem kleinen Kuhdorf?«
    »Genau darum geht es«, Morell räusperte sich. »So wie es aussieht, habe ich hier in meinem kleinen Kuhdorf einen ziemlich brutalen Mord und benötige dringend Unterstützung. Als Erstes brauche ich Hilfe bei der Spurensicherung.«
    »So eine große Sauerei?«, wollte Haug wissen.
    »Nein, ganz im Gegenteil. Ich kann hier überhaupt keine Spuren ausmachen«, antwortete Morell. »Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich der Fundort im Freien befindet und das Sauwetter alle offensichtlichen Beweise zunichtegemacht hat. Der Fundort ist außerdem nicht der Tatort.«
    »Woraus schließt du das?« Haug war ganz ernst geworden.
    »Die Leiche ist übel zugerichtet. Multiple Stichverletzungen. Aber es ist weit und breit kein einziger Tropfen Blut zu sehen. Außerdem befindet sich der Tote bereits in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium. Nachdem er gestern noch nicht hier hing, muss ihn also heute Nacht jemand
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