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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl
Autoren: Daniela Larcher
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ich sollte nicht immer so neugierig sein.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Morell. »Sie haben recht, ich lebe hier allein. Das Haus ist eigentlich zu groß für eine Person. Ich bewohne daher auch nur den ersten Stock.«
    »Und was machen Sie mit dem Rest, wenn ich fragen darf?«
    »Im Erdgeschoss habe ich mir einen Lagerraum eingerichtet, in dem ich Gartengeräte aufbewahre und Pflanzen überwintere. Der Rest steht leer.«
    »Ah, dann haben wir hier also einen kleinen Hobbygärtner?«
    »Ja, hinter dem Haus habe ich einen großen Garten und ein Gewächshaus mit Blumen.« Morell wurde bei dem Gedanken daran ganz warm ums Herz. Der Garten war sein ganzer Stolz.
    »Wie schön«, sagte die Gerichtsmedizinerin, »ich liebe Blumen.«
    Morell nahm Capelli ihren Anorak ab, führte sie ins Wohnzimmer und ging dann in die Küche.
     
    »Na, dann erzählen Sie mal«, sagte Morell, als er mit einem Tablett in der Hand wieder zurückkam. »Wie war die Fahrt?« Er stellte zwei Tassen und eine Kanne dampfenden Tee auf den Tisch. Dazu gab es Zitronenscheiben und drei Schälchen, die mit weißem, braunem und Kandiszucker gefüllt waren. Außerdem hatte er Honig und Süßstoff mitgebracht.
    »Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass Sie die selber gemacht haben«, sagte Capelli, als Morell auch noch einen großen Teller voller Kekse auftischte.
    »Doch«, sagte Morell und wusste nicht, ob er stolz oder verlegen sein sollte.
    »Dass Sie sich noch keine Frau geschnappt hat«, sagte die Gerichtsmedizinerin und schluckte. »Entschuldigung, ich bin schon wieder zu vorlaut.«
    »Schon okay«, lächelte Morell. »Ich betrachte es als Riesenkompliment.«
    »Das tut gut«, sagte Capelli, als sie den ersten Schluck Tee genommen hatte. »Die Fahrt war wirklich mühsam. Ich bin im Schneckentempo den Berg raufgekrochen und habe einige Autofahrer hinter mir sicherlich fast zur Verzweiflung gebracht.«
    Morell nickte. Er kannte die Strecke in- und auswendig und wusste, dass es so gut wie unmöglich war, auf der kurvigen Straße zu überholen. Er wusste auch, wie sehr sich die streckenkundigen Landauer über die ängstlichen Kriecher, wie sie sie nannten, aufregten, die den Verkehr manchmal fast zum Stehen brachten.
    »Ich bin todmüde«, sagte Capelli und gähnte. »Ich glaube, ich werde heute in Landau übernachten und erst morgen weiterfahren. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich mir Ihr Opfer gleich nach dem Frühstück ansehen. Die Kollegen mit dem Leichentransporter werden ungefähr gegen Mittag kommen. Wir haben also noch genügend Zeit.«
    »Das ist eine gute Idee. Es ist viel zu gefährlich, sich fix und fertig hinters Steuer zu setzen – vor allem bei dem Wetter.«
    »Das müssen Sie mir nicht erzählen. Ich hatte schon genügend Unfallopfer auf dem Tisch.« Capelli trank den letzten Schluck ihres Tees. »So«, sagte sie, »jetzt bin ich Ihnen aber genug auf die Nerven gefallen. Können Sie mir eine gute Pension empfehlen?«
    »Ja, den ›Kirchenwirt‹. Von dort aus haben Sie es morgen auch nicht weit bis zur Leichenhalle. Ich rufe kurz an und sage Bescheid, dass Sie kommen.«
    Morell suchte im Telefonbuch die Nummer heraus und wählte. »Christian? Hier spricht Otto. Bei mir ist eine nette junge Dame, die ein Zimmer braucht. Ich schicke sie dir vorbei, in Ordnung?« Morell verzog das Gesicht. »Echt?«, fragte er. »Und im Adler? ... Und sonst? ... Verstehe, trotzdem danke. Bis dann.« Er legte auf.
    »Tut mir leid, Frau Doktor«, sagte er. »Aber wie es scheint, haben wir ein kleines Problem. Die Skisaison ist in vollem Gange. Christian, der Besitzer vom Kirchenwirt, sagt, dass alle Zimmer im Ort ausgebucht sind. Sieht so aus, als müssten Sie mit der ›Casa del Morell‹ vorliebnehmen.«
    Capelli schaute ihn peinlich berührt an. »Das ist mir jetzt aber gar nicht recht«, stammelte sie. »Ich will Ihnen nicht zur Last fallen.«
    »Schon in Ordnung. Sie sind bei dem Schneechaos extra hierher nach Landau gefahren. Nur wegen meinem Fall. Da ist es wohl das Mindeste, dass ich Ihnen ein Dach über dem Kopf anbiete. Wie Sie ja bereits gesehen haben, bietet mein Haus genügend Platz.«
    »Vielen Dank.« Die Gerichtsmedizinerin versuchte zu lächeln.
    »Schauen Sie nicht so gequält«, sagte Morell. »Es ist wirklich kein Problem, wenn Sie heute hier übernachten. Wissen Sie was, ich werde uns jetzt erst einmal etwas zu essen machen. Sie haben doch Hunger?«
    »Oh ja, ich könnte einen ganzen Braten verdrücken«, nickte sie.
    »Dann sehen wir mal,
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