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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Autoren: Arto Paasilinna
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reichte. Zu dieser ganzen Größe hatte Lauri versucht zu beten, hatte Gott zu überzeugen versucht, dass es lohnte, einem unschuldigen Menschenkind zu helfen. Was würde der Herrscher des Universums schon verlieren, wenn er einem geschassten Entwicklungschef, der im kalten Meer stand, ein wenig Gnade erwies?
    »Ich finde, dass Gott es sich schenken könnte, unsereinem zu zürnen. Wir tun ja unser Bestes, wir beten und leben anständig.«
    Kalle war all das nicht unbekannt. Auch er selbst betete hin und wieder, obwohl er keineswegs religiöser als Lauri war. Er schickte seine Gebete sicherheitshalber, also für alle Fälle, gen Himmel.
    »Weiß man, ob es nicht doch außerhalb der Vorstellungskraft des Menschen irgendwelche unbekannten intelligenten Aktivitäten gibt? Ich würde jedenfalls nicht schwören, dass das Gegenteil der Fall ist. Im Universum gibt es so viel Ungeklärtes, dass eine Religion, oder sagen wir meinetwegen tausend Religionen samt Göttern und allem, durchaus kein großes Wunder darstellen.«
    Lauri musterte seinen Freund etwas erstaunt. War Kalle womöglich doch religiös, einer von denen, die sich bei persönlichen Problemen einer obskuren Sekte anschlossen? Nun, sollte er, das war seine Sache …, Lauri war jetzt einfach nur müde.
    »Ich hole dich nach Hause, sowie es dir besser geht«, versprach Kalle und breitete die Blätter mit den Entwürfen für die Gebetsmühle auf Lauris Nachttisch aus.
    Zwei Tage später wurde Lauri Lonkonen vom Gesundheitszentrum Hanko in die Klinik von Jorvi verlegt, wo er viele Tage zubringen musste. Man pflegte ihn sorgfältig, und die Unterkühlung führte nicht zu der befürchteten Lungenentzündung. Obwohl der Patient schon in mittleren Jahren war, war seine Kondition gut , und die Krankheit kam nicht zum Ausbruch.
    Seine Frau und die Kinder besuchten ihn täglich, ebenso Kalle Homanen, aber die Kollegen machten sich nicht die Mühe, nach dem ehemaligen Entwicklungschef zu sehen. Er war entlassen worden und fertig. Immerhin war er nicht umgekommen, das war dann auch schon alles, was man in der Firma dazu zu sagen hatte.
    Kalle Homanen hielt Lauris Entlassung aus der Wohnwelt für einen glücklichen Zufall. Jetzt hatte er einen kompetenten Partner, der sich um die offiziellen Patentanträge und den übrigen Papierkram kümmern konnte. Er erzählte Lauri von der künftigen Arbeit und stellte ihm das gleiche Gehalt in Aussicht, das er als Entwicklungschef in der Immobilienfirma bekommen hatte. Ein anständiges Angebot, das Lauri sofort akzeptierte, und es war ihm Ansporn, nicht allzu lange im Krankenhaus herumzuliegen. Die spannende Welt der Erfindungen wartete! Vielleicht könnte er sogar selbst irgendeine neue Idee verwirklichen. Die Welt war wieder voller Möglichkeiten.
    Lauris Bettnachbar in der Klinik war ein betagter Mann, den die Krankenschwestern mehrmals täglich und manchmal sogar nachts umsorgten. Der Alte lag im Sterben. Angehörige besuchten ihn nicht. Er war einsam und erzählte, dass er Angst vor dem Tod hatte, der nicht mehr fern war, wie er vermutete. Er sprach mühsam und abgehackt, aber Lauri konnte seine Worte verstehen.
    Lauri erzählte von seinem Seeunfall, und der Bettnachbar nannte es eine heldenhafte Erfahrung.
    »Lass uns Freundschaft schließen, dann ist die restliche Zeit unterhaltsamer«, schlug der Alte vor. Lauri hatte nichts dagegen einzuwenden.
    Als Lauris Frau Irma zu Besuch kam und ihrem Mann die Hand hielt, beobachtete der Alte die beiden fast neidisch.
    Irma Lonkonen war eine kleine Frau mit zartem Gesicht. Sie hatte Staatswissenschaften studiert und arbeitete im Amt für Statistik. Obwohl sie zierlich war, wirkte sie keineswegs schwach oder weich, sondern eher resolut, sie war sachlich, vital und stets voller Tatendrang. Irma hielt Lauris Hände in den ihren, wärmte seine Finger und küsste ihn auf die Stirn. Sie war ein gütiger Mensch. Lauri dachte bei sich, dass sie, statt ihm die Finger zu streicheln, lieber die Füße wärmen sollte, die er sich im Meer verkühlt hatte. Aber sei’s drum, sagte er sich und brachte es nicht übers Herz, sie um eine Fußsohlenmassage zu bitten.
    Der todkranke Bettnachbar entschuldigte sich und sagte, er sei so einsam, dass er nicht anders könne, als sich in das Beisammensein des Paares einzumischen. Er stellte sich vor:
    »Ich bin Rauno, und im November wäre mein achtzigster Geburtstag. Eigentlich wollte ich ein Riesenfest feiern, aber daraus wird wohl nichts, weil ich dann
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