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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Autoren: Arto Paasilinna
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erfasste freilich nicht jeden Teilnehmer. Lauri Lonkonen und ein paar andere ältere Mitarbeiter mochten in den Frohsinn der jüngeren Kollegen nicht einstimmen.
    Lauri Lonkonen trank ein Glas Sekt und ging dann, erfüllt von trüben Gedanken, aufs Unterdeck und nach hinten zum Swimmingpool. Er schloss die Tür zum Salon, setzte sich auf die Leiter des Pools und lehnte sich ans Geländer, er war ganz allein. Ihm war zumute, als wäre er unschuldig zu einer harten Strafe, schlimmer noch als Gefängnis, verurteilt worden. Beschäftigungslos für den ganzen Rest seines Lebens. Dabei war er noch relativ jung, wie er fand.
    Am späteren Abend, zur Zeit des Sonnenuntergangs, breitete sich unglaublich schöner Nebel auf dem Meer aus. Die Abendkühle ließ das Metallgeländer des Swimmingpools feucht werden. Auf dem oberen Deck vergnügte sich die übrige Gesellschaft lautstark, einige Teilnehmer gingen auf die Brücke und erkundigten sich beim Kapitän, wie viele Knoten das Schiff machte und wie schnell es beschleunigen konnte. Geschäftsführer Soininen bat um Erlaubnis, kurz die Leistung der Motoren erproben zu dürfen. Widerstrebend willigte der Kapitän ein, wies Soininen allerdings darauf hin, dass er abrupte Bewegungen vermeiden sollte, das Schiff verfügte über mehr als 400   PS .
    Kaum hatte Soininen die Erlaubnis erhalten, setzte er sich auch schon auf den Platz des Steuermanns, er packte die Gashebel, zog sie kräftig zurück und erschrak selbst darüber, wie das Schiff vorwärtsschoss. Die Beschleunigung war so unglaublich vehement, dass Lauri Lonkonen, der unten am Swimmingpool saß, sofort vom glatten Aluminiumdeck ins Meer rutschte. Das Schiff brauste davon, bevor sich der Ärmste an der Leiter des Pools festhalten konnte. Die feiernden Kollegen hörten seine Hilferufe nicht, sie schrien selber lauthals im Rausch der Geschwindigkeit. Als der Kapitän das Schiff wieder übernahm, hatte es sich schon weit von Lauri Lonkonen entfernt, der inzwischen im Meer paddelte. Bald hüllte Nebel das Schiff ein. Lauri schwamm im kalten Wasser, allein und dem Tode nahe.
    Der unglückliche und arbeitslose Entwicklungschef schwamm auf den feuerrot schimmernden nordwestlichen Horizont zu. Der Sonnenuntergang war unglaublich schön. Es war eine grausame Ironie des Schicksals, in einer so wunderbar schönen Meereslandschaft ertrinken zu müssen. Lauri sah im Geiste seine Frau und seine Kinder vor sich, auch seine Freunde, schließlich kamen ihm sogar fromme Gedanken. Denn die Situation war immerhin ernst genug, um dem lieben Gott womöglich bald Arbeit zu verschaffen.

2
    Produktentwickler Kalle Homanen, 43 , Privatunternehmer und Erfinder, war in seinem Laboratorium mit der Verwirklichung seiner neuesten Ideen beschäftigt. Für die Arbeit nutzte er zwei Räume im Keller eines Mehrfamilienhauses in Martinlaakso. Er selbst wohnte in einem kleinen Zweizimmerappartement in Espoo. Homanen hatte eine Frau und drei Kinder, Letztere hatten bereits das Elternhaus verlassen, die beiden Töchter studierten, der Sohn war bei der Armee.
    Kalle Homanen war eng mit Lauri Lonkonen befreundet. Die beiden Männer kannten sich von der Armee, also seit zwanzig Jahren. Beide hatten zur selben Zeit ihren Wehrdienst in Hiukkavaara bei Oulu, in der Schützenkompanie der nördlichen Brigade, abgeleistet. Bei ihrer ersten Begegnung wären fast die Fäuste geflogen, denn beide hatten das obere Bett in der Rekrutenstube für sich beansprucht. Es war jedoch nicht zur Schlägerei gekommen, denn der aus Rauma stammende Zugführer, Feldwebel Rannikko, hatte im schönsten Dialekt seiner Heimat erklärt:
    »Sie da liegen erst mal oben, und Sie da nehmen die untere Koje.«
    Lauri bekam das obere Bett, und Kalle musste nach unten. Als sie beklagten, dass sie die Befehle des Feldwebels nicht verstehen würden, wies er sie an, in die Buchhandlung zu gehen, sich das Werk von Hj. Nortamo mit Volksweisheiten aus Rauma zu kaufen und diese auswendig zu lernen. Andernfalls bekämen sie zwei Wochen Ausgehverbot und müssten außerdem jeden Abend den Fußboden im Hauptflur der Kompanie bohnern.
    Lauri und Kalle wurden also mit dem speziellen Dialekt von Rauma bestens vertraut. Während sie den Wortschatz paukten, wurden sie gute Freunde. Am Ende kamen sie auf die Idee, selber den Dialekt zu benutzen, und zwar immer dann, wenn die anderen Rekruten oder sonstige Außenstehende nichts von ihrem Gespräch verstehen sollten. Die Sprachkenntnisse waren ihnen vor allem im
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