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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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den Boden, auf dem reich geschnitzte Truhen standen und viele Kissen lagen. Teia verspürte einen kleinen Stich vor Enttäuschung; es war genauso wie im Zelt ihrer eigenen Familie.
    Doch als sie weiter hineinging, erkannte sie, dass die auf den Teppichen dargestellten Szenen Vögel und Tiere zeigten, die sie nicht kannte, und die Farben der Wolle waren sogar noch kräftiger als in Drws Zelt. Das Licht kam von einer seltsamen Lampe, die am Mittelpfosten des Zeltes hing. Statt einer Tonlampe mit einem schwimmenden Docht oder Drws Silberlampen war dies ein Kasten mit Boden und Kanten aus einem gelben Metall, der die Flamme einschloss und glatte Seiten hatte, die wie eine dünne Eisschicht auf einem winterlichen Teich wirkten.
    Teia drehte sich langsam um und betrachtete neugierig ihre Umgebung. Plötzlich wirkte das Zelt gar nicht mehr so gewöhnlich.
    Ytha schob den Vorhang zur Seite und trat aus ihrem privaten Bereich hervor. Teia fuhr zusammen. Die Sprecherin hatte ihren Polarfuchspelz abgelegt und trug ein glattes rostbraunes Kleid, das von einem kostbaren Fischschuppengürtel gehalten wurde. Ihr dichtes Haar war mit einem Riemen zusammengebunden. Sie lächelte.
    »Anscheinend habe ich dich schon wieder erschreckt.« Sie hielt den Vorhang auf. »Komm herein.«
    Die innere Kammer des Zeltes glich in ihrer Ausstattung der äußeren, abgesehen von dem Schlaflager mit seinen Fellen und einer großen Schüssel mit dampfend heißem Wasser auf dem Boden. Teia betrachtete sie unsicher. »Sprecherin?«
    Ytha drehte sich halb um; über ihrem Arm lag ein gefaltetes Handtuch. »Ja, mein Kind?«
    »Warum bin ich hier?«
    »Der Häuptling hat sein Interesse an dir bekundet. Er hat darum gebeten, dass du mit ihm zu Abend isst. Ich will dir helfen, dich vorzubereiten.«
    Teia wäre fast das Herz stehen geblieben. Als Drw sie vor zwei Jahreszeiten zu sich geholt hatte, war es ganz anders gewesen. Der alte Häuptling hatte sie persönlich angesprochen. Sie hatte sich sehr geehrt gefühlt, weil er sogar ihren Namen kannte, und war vor Stolz beinahe geplatzt. Sogar ihr Vater hatte gelächelt. Doch nun nahm Ytha die Sache in die Hand, und das beunruhigte sie.
    »Komm schon, Kind. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.« Ytha gab ihr das Handtuch und ein Tablett mit Seife. »Wasch dich, während ich dir etwas zum Anziehen hole.«
    Teia holte tief Luft. Wenn der Häuptling nach ihr gefragt und die Sprecherin zugestimmt hatte, konnte sie sich kaum verweigern. Also zog sie sich aus, während Ytha auf beinahe mütterliche Weise im Zelt herumsuchte, legte ihre Kleidung sorgfältig zusammen und kniete sich neben die Waschschüssel.
    Die Seife war viel feiner als die aus Elchfett, an die sie gewöhnt war, und sie schäumte rasch. Teia zerrieb den Schaum zwischen den Fingern, hielt sie sich an die Nase und atmete den süßen Duft einer Blume ein, die sie nicht kannte. Kam diese Seife etwa aus dem Süden, jenseits der Berge? Manchmal reisten Händler durch das Archengebirge zu den großen Märkten und brachten Gewürze und hübsche Dinge von weither mit, doch selbst bei ihnen hatte Teia nie etwas Vergleichbares gesehen.
    Als ob sie Teias Gedanken gehört hätte, steckte Ytha den Kopf wieder in das innere Gemach. »Du brauchst nicht damit zu knausern; es ist noch genug da.«
    Also seifte sich Teia ein und war erstaunt, als Ytha ihr frisches Wasser zum Abspülen brachte. Danach rieb sie sich mit dem Handtuch trocken. Die Sprecherin setzte sie auf einen Schemel, gab ihr eine kleine Tonflasche und befahl ihr, sich mit dem Inhalt Hände, Füße, Knie und Ellbogen einzureiben. Während Teia dies tat, entwirrte Ytha ihr mit einem Kamm aus Walbein die verfilzten Haare und legte ihr danach ein langes Unterhemd aus feinem Batist sowie ein Kleid aus blauer Wolle an. Teia befühlte die Kleidung. Der Wollstoff war beinahe so fein und geschmeidig wie das Unterhemd und so hell wie der Schwanz eines Blaufalken. Dieser Stoff kam wohl genauso aus fernen Ländern wie Ythas Wandbehänge. Plötzlich wusste sie, warum sie so eingekleidet wurde.
    Die Sprecherin hielt ihr einen Bronzespiegel vor, damit Teia sich betrachten konnte. Sie war wie verwandelt. Das Kleid passte ihr vollkommen, betonte ihre hübschen Hüften und die runden Brüste. Ihre ungebärdige Mähne glich nicht mehr einem Vogelnest, sondern wies schimmernde Wellen auf. Die dickflüssige Salbe aus dem Fläschchen hatte ihren Händen die Röte genommen und die Haut geglättet, und nun war es schwer zu
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