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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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glauben, dass sie den größten Teil des Abends bis zu den Ellbogen im Spülwasser verbracht hatte.
    »Ich glaube, jetzt bist du bereit für den Häuptling«, sagte Ytha und legte den Spiegel beiseite. »Bist du so weit?«
    War sie es? »Ich weiß nicht. Ich glaube, ja.«
    Verärgerung blitzte im Gesicht der Sprecherin auf und war so rasch wieder verschwunden, dass Teia nicht sicher war, ob sie sich geirrt hatte. Doch an ihrem Innern nagte der Wurm der Furcht.
    »Der Häuptling bittet dich, mit ihm zu Abend zu essen. Du wirst bei ihm bleiben, solange er es wünscht. Vielleicht verlangt er von dir, für ihn zu tanzen oder zu singen, falls deine Stimme angenehm genug ist. Er wird dir sagen, was er von dir erwartet.« Ytha betrachtete sie mit festem Blick. »Denk daran, mein Kind, es ist eine große Ehre für dich und deine Familie. Es könnte eine wunderbare Gelegenheit für dich sein, deine Stellung zu verbessern. Wenn du ihm gefällst, erhältst du vielleicht eine Belohnung. Wenn nicht, könnte es hart für dich werden.«
    Teia faltete die Hände und nickte. »Ich verstehe, Sprecherin.«
    »Dessen bin ich mir sicher. Schließlich hatte dich bereits Drw zur Gefährtin erwählt, nicht wahr?« Wieder nickte Teia. Ytha legte ihr die Hand auf die Schulter. »Halte dich gerade, mein Kind. Ein gekrümmter Rücken ist unschön. Bist du jetzt fertig?«
    Teia bemühte sich, die Schultern zu recken, und beschloss, dass sie bereit war. Es würde schließlich nichts ändern, wenn sie es nicht wäre. Der Häuptling war nun einmal der Häuptling, auch wenn er nicht wie sein Vater war. »Ich bin fertig.«
    »Dann komm mit mir.«
    Ytha führte sie quer durch das Lager zum Zelt des Häuptlings. Das neue Kleid hatte den erwünschten Effekt. Jeder Mann, der noch nicht allzu betrunken war, blickte hinter Teia her. Manche riefen anerkennende Bemerkungen oder Angebote, die ihr eine heftige Röte auf die Wangen zauberten. Die Sprecherin indes lächelte unnahbar und beachtete die anderen nicht.
    Ytha betrat das Zelt des Häuptlings, und Teia musste draußen bei den beiden Wachen warten. Die Krieger bemühten sich nicht, ihr Interesse an Teia zu verbergen. Ihre Blicke wanderten hungrig über den Körper der jungen Frau und schienen jeden Umriss unter dem neuen Kleid nachzuzeichnen. Mit brennenden Wangen richtete sie den Blick starr auf die Zeltklappe. Bei Macha, warum gaben sie ihr nicht einfach einen Klaps auf den Hintern und regten sich wieder ab?
    Nach einigen Augenblicken kam Ytha wieder aus dem Zelt und winkte Teia zu sich.
    »Denk daran«, sagte sie und legte Teia die Hand auf die Schulter, »dass du alles tust, worum man dich bittet. Dann wird für dich und deine Familie alles gut werden. Wenn du dem Häuptling gefällst, kann dein Vater ein reicher Mann werden und deinem zukünftigen Gemahl eine große Mitgift geben, die ihn für deine verlorene Unschuld entschädigt. Das ist doch eine angenehmere Aussicht als der Heiratsmarkt, oder?«
    Teia verspürte einen plötzlichen Stich angesichts der Erniedrigung und nickte.
    »Ja, mein Kind, ich weiß, dass es wehtut, aber eine Frau, die nicht im Zustand der Unschuld ins Ehebett steigt, muss nun einmal auf den Heiratsmarkt gehen. Das ist die Art der Clans, und so ist es schon immer gewesen.« Sie drückte Teias Schulter. »Denke stets daran, was du hier gewinnen kannst.«
    »Das werde ich. Danke, Sprecherin.«
    Ytha lächelte, nickte kurz und hielt ihr die Zeltklappe auf. Teia ging hinein und trat vor ihren Häuptling.
    Er teilte nicht den Geschmack seines Vaters. Verschwunden waren die einfachen gewebten Wollteppiche mit den traditionellen Mustern des Clans. Der Boden war mit dicken Fellen bedeckt, und es fanden sich hier fast genauso viele Kissen wie im Zelt der Sprecherin, dazu dunkelrote Wandbehänge. Alles, was von Drw übrig geblieben war, waren die silbernen Öllampen, die an den Zeltpfosten hingen. Ihre gelben Flammen tanzten über die Rüstung aus Leder und Bronze, die neben dem Eingang lag und an der das Häuptlingsschwert lehnte, damit niemand vergaß, wem dieses Zelt gehörte.
    Drwyn lag zurückgelehnt auf einem Kissen in der Mitte des Zeltes. Sein Hemd war aufgeschnürt, und er hatte die muskulösen Beine an den Knöcheln übereinandergeschlagen. Er war ungefähr so groß und breit wie Drw und hatte die markanten Gesichtszüge und die beinahe schwarzen Augen seines Vaters. Er trug sogar den gleichen kurz geschorenen Bart, der seinen Mund einrahmte. Ein großer goldener Ohrring
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