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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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herrschte vollkommene, absolute Finsternis. Es gab keine Oberfläche, die Licht oder Farben hätte widerspiegeln können, und doch brodelte es in ihr.
    Wir warten , hauchte eine Stimme, die so kalt und prickelnd wie Raureif war. Hast du sie gefunden?
    »Noch nicht.«
    Eine erneute Verzögerung . In der Finsternis regte sich wieder etwas; es war wie eine Kräuselung in einem Tintenfass. Unser Meister wird ungeduldig .
    Für ein Geschöpf außerhalb der Zeit schien ihr Meister das Vergehen derselben sehr deutlich zu spüren. »Der Wächter hat einen neuen Schüler.«
    Unwichtig .
    »Vielleicht.« Er nippte an seinem Wein. »Vielleicht auch nicht.«
    Du hast uns gesagt, dass die Wächter wie ausgebrannte Kerzen sind, von keinerlei Bedeutung .
    »Vielleicht war ich …« Er hasste den bitteren Beigeschmack des Eingeständnisses. »… etwas zu voreilig.«
    Schweigen. Dann: Dieser Schüler macht dir Sorgen .
    »Er lässt es nicht zu, dass ich in ihm lese«, sagte Savin, »und ich wüsste gern, womit ich es bei ihm zu tun habe. Ich mag keine Überraschungen.« Er schwenkte den Rest des tylanischen Rotweins noch einmal in dem Kelch und schaute grübelnd in die roten Tiefen. Alderan war wieder unterwegs. Der alte Wichtigtuer plante zweifellos etwas, aber was? Das war das Rätsel, und Rätsel waren dazu da, gelöst zu werden.
    Der Schüler war vorgewarnt .
    Das war unwahrscheinlich. Es war nicht die Art des alten Mannes, Antworten auf Fragen zu geben, bevor sie gestellt wurden. Außerdem hatte er nicht wissen können, dass sein jüngster Schüler so schnell unter Beobachtung geraten würde. Was führte er im Schilde?
    »Es gab keinen Grund für ihn, sich auf unser Treffen vorzubereiten. Es war reiner Zufall. Ich war in Mesarild und habe gespürt, dass der Wächter etwas webte. Ich wollte wissen, was es war.«
    Für gewöhnlich war der alte Mann vorsichtiger mit seinen Farben, und so hatte Savin seinen Besuch beim Weinhändler abgebrochen und war ihnen zuerst bis zu einem unauffälligen Haus gegenüber der Halle der Schneiderzunft und dann zu einer Taverne in der Altstadt gefolgt, und was er dort vorgefunden hatte, war … bemerkenswert gewesen.
    So oft beherrschte der Zufall das Leben der Menschen. Eine Spielkarte wurde umgedreht, eine Münze fiel, und ganze Reiche gingen unter. Ein Lächeln hob Savins Mundwinkel. Das war ein passendes Bild.
    Etwas belustigt dich .
    »Ich bin neugierig auf ihn. Er war sehr vorsichtig. Alles, was er über sich selbst sagen wollte, war, dass er einem Zusammenstoß mit der Kirche entkommen ist, und seine linke Hand war verbunden. Falls ich mich nicht sehr irre, weiß er, was er ist.« Er war wie ein Niemand gekleidet, aber er hatte das Betragen und die Haltung eines Mannes an den Tag gelegt, der sich vor niemandem beugte. Was immer er war, man musste ihn im Auge behalten.
    Also stellt er eine Bedrohung dar .
    »Er ist eher ein weiteres Element des Rätsels. Der Wächter hätte sich niemals so weit von den Inseln entfernt, nur um jemanden mit einer unbedeutenden Gabe zu unterstützen. Er war aus gutem Grund in Mesarild.« Mit einem Mal kam Savin ein Verdacht. Vielleicht war dieser Junge der Grund dafür. Das wäre noch bemerkenswerter.
    Er spann den Gedanken weiter. Alles Besondere war kostbar, und alles Kostbare machte verwundbar. Es machte schwach. Und Schwäche konnte man ausnutzen. Es war wie beim Öffnen einer Auster – man musste bloß wissen, wo das Messer anzusetzen war.
    Du hättest ihn zu uns bringen sollen. Er muss unsere Fragen beantworten .
    »Eure Befragungen haben es für gewöhnlich an sich, dass man nicht von ihnen zurückkehrt – es sei denn als Schweinefutter«, sagte Savin scharf, denn ihr Einwurf ärgerte ihn. »Für mich könnte er hingegen noch nützlich sein.« Zum Beispiel wäre es möglich, dass Savin durch ihn an diesem verdammten Schutzzauber vorbeikam.
    Das sind Ausflüchte . Die Finsternis im Spiegel brodelte. Wir haben ein Abkommen mit dir. Wir haben dich gelehrt, was du wissen wolltest. Wir erwarten Fortschritte .
    »Ich habe Fortschritte gemacht. Ich stehe kurz davor, zu finden, was ihr sucht.«
    Das Zucken des Silberrahmens wurde wilder, und die sich ständig verändernden Umrisse machten Savin noch nervöser. Fangzähne leuchteten in ihnen auf, und Kiefer schnappten zu.
    Mach weitere Fortschritte. Finde sie. Die Geduld unseres Meisters ist nicht grenzenlos .
    Savin kippte sich den Rest des Weins in die Kehle und schluckte. »Ich habe die Bedingungen unserer
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